Richard
und die
Heinrich
Bolingbroke
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Jan Bülow als Richard II. am Burgtheater Wien | Foto (C) Marcella Ruiz Cruz
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Bewertung:
Richard II. ist als Bühnenfigur, und als historische Figur erst recht, weitaus weniger populär als der skrupellose Schurke Richard III. Der monumentale Bösewicht interessiert mehr als der lavierende Machtpolitiker, Hitler mehr als Donald Trump. Ariane Mnouchkine hat Richards Tragödie als ersten Teil ihres zu Recht gefeierten und Maßstäbe setzenden Shakespeare-Zyklus inszeniert, und Claus Peymann hat ihn mit dem heutigen Burgschauspieler Michael Maertens in der Titelrolle überaus erfolgreich an das Ende seiner ersten Spielzeit am Berliner Ensemble gestellt. Am Wiener Burgtheater hat sich jetzt, mehr als zwei Jahrzehnte später, ein anderer Theaterleiter und Regie-Star, Johan Simons, des nicht ganz leicht durchschaubaren Historiendramas in der schon von Peymann gewählten vitalen Übertragung von Thomas Brasch angenommen. Geben wir es zu: Auch ein Genie wie Shakespeare hat bessere und weniger gute Werke geschrieben. Richard II. gehört nicht zu den besseren. Umso fahrlässiger ist es, wenn man die Regie für Schwächen des Stücks verantwortlich macht.
In die Zeit der Handlung, ins 14. Jahrhundert, wollten weder Mnouchkine, noch Peymann, noch Simons ihre Inszenierung platzieren. Bei Johan Simons tragen die Figuren im sparsamen, mobilen Bühnenbild von Johannes Schütz von Greta Goiris entworfene überzeitliche, zum Teil groteske Kostüme. Der erst 25jährige Jan Bülow erinnert als Richard in seiner gar nicht majestätischen Körpersprache an den eine gute Generation älteren jungen Ulrich Tukur.
Ergibt sich die Frage, warum Simons Richards Gegenspieler Heinrich Bolingbroke mit einer Frau – Sarah Viktoria Frick – besetzt hat. Ja, wir wissen schon, dass Rolle und Darsteller nicht übereinstimmen müssen, aber ist ihre Relation beliebig? Ist alles egal? Hat die Beschaffenheit der Figur keinerlei hermeneutische Bedeutung? Und müssen wir uns das wirklich immer wieder erklären lassen?
Hinzu kommt: Die Ansprüche an eine gerechte Herrschaft lassen sich nicht ohne weiteres von der monarchistischen auf die mehr oder weniger demokratische republikanische Gesellschaft übertragen. Zwar relativiert Simons die Machtvollkommenheit des Herrschers, wenn er – eine der schönsten Szenen – überdeutlich zeigt, wie sich alle am Hof beim Geschwätz des zum Rücktritt gezwungenen Richard langweilen, aber immerhin: wer die Monarchie akzeptiert, mag den Fall eines Königs als Tragödie empfinden. Verglichen damit ist der Fall (in der doppelten Wortbedeutung) eines Sebastian Kurz nur eine Farce.
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Richard II. am Burgtheater Wien | Foto (C) Marcella Ruiz Cruz
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Thomas Rothschild - 16. Oktober 2021 ID 13211
RICHARD II. (Burgtheater Wien, 14.10.2021)
Regie: Johan Simons
Bühne: Johannes Schütz
Kostüme: Greta Goiris
Musik: Mieko Suzuki
Licht: Friedrich Rom
Dramaturgie: Sebastian Huber und Koen Tachelet
Besetzung:
Richard II. ... Jan Bülow
Isabel ... Stacyian Jackson
Johann von Gaunt / dessen Geist ... Martin Schwab
Heinrich Bollingbroke ... Sarah Viktoria Frick
Herzog von York ... Oiliver Nägele
Herzogin von York ... Sabine Haupt
Aumerle ... Barbara Böhlefeld
Bushy ... Falk Rockstroh
Northumberland ... Johannes Zirner
Percy ... Lukas Haas
Thomas Mowbray ... Gunther Eckes
Premiere war am 9. September 2021.
Weitere Termine: 21., 25.10. / 09., 12., 25.11.2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.burgtheater.at
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