Traumsequenz mit autobiografischen Zügen
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Prinz Friedrich von Homburg am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold
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Bewertung:
Den Autor Heinrich von Kleist und sein letztes, 1809/1810 geschriebene Drama Prinz Friedrich von Homburg konsequent zusammen zu denken, das klingt zunächst nicht uninteressant. Nur das Kleist nicht unbedingt ein Träumer war, eher ein Getriebener und ewiger Sinnsucher. Einer, „dem im Leben nicht zu helfen war“, wie er selber schrieb, und sich deshalb wohl auch vier Monate nach der Fertigstellung des Homburg mit seiner „geistigen Liebe“ Henriette Vogel das Leben nahm. Regisseur Philipp Preuss zählt da 1 und 1 zusammen und geht die Sache sozusagen autobiographisch an.
Der Schlüssel zum Homburg ist also Kleist selbst. Liebestraum und Todessehnsucht, Größenwahn und ein guter Schuss Patriotismus, all das ist im Homburg wie in der Biografie Kleists zu finden. Da muss man nicht lange suchen. Schon zu Beginn der 2stündigen Inszenierung am Schauspiel Leipzig fallen Prinz Homburg (Felix Axel Preißler) und seine Angebetete Prinzessin Natalie (Anna Keil) immer wieder, sich gegenseitig erschießend, um. Der Traum des Prinzen ist hier nicht nur Liebesschwärmerei, sondern enthält auch schon das kommende Schlachtengetümmel. Regisseur Preuss hat das Personal auf nur vier SchauspielerInnen verschlankt und den Text entsprechend gekürzt bzw. neu verteilt. Kein knatternder Kottwitz, kaum großes Kriegspathos. „Nun Unsterblichkeit bis du ganz mein.“ Der Satz des am Ende für Einhaltung der Disziplin zum Sterben bereiten Prinzen fällt hier schon ganz früh. Der Grund wird eher assoziativ und äusserst bildgewaltig nachgeliefert.
Preuss nähert sich dem Drama um den jungen Prinzen und preußischen Reitergeneral, der seinen Befehl vernachlässigt, weil er seinen Träumen um den Handschuh der Kurfürstentochter nachhängt, ganz intuitiv und lädt die Inszenierung mit schon zu Beginn kräftig hämmernder elektronischer Livemusik von Kornelius Heidebrecht und Philipp Rohmer zusätzlich emotional auf. Gesungen werden aber auch Lieder wie das Trinklied für Freie von Johann Friedrich Voß (1774) oder Wilhelm Müllers Frühlingstraum aus Schuberts Winterreise (1827) von einem anonymen Chor Schwarzgekleideter und dem Schauspielensemble, zu dem noch Andreas Keller als Kurfürst und Markus Lerch als Graf Hohenzollern gehören. Anna Keil gibt noch in Biedermeier-Schwarz die Kurfürstin, die den wegen seiner Eigenmächtigkeit in der Schlacht gegen die Schweden zum Tode verurteilten und um sein Leben jammernden Prinzen wie eine Kriegskrankenschwester versorgt.
Wer das Stück nicht kennt, muss sich hier sicher einiges zusammenreimen, was der allgemeinen Verständlichkeit aber nicht unbedingt schadet. Die Intention der Regie ergibt sich aus dem Traum des Prinzen, der konträr zu seinem Handeln steht. Kleists Pflichtgefühl ist dem Homburgs nicht unähnlich, sein Traum vom Leben aber auch. Die Inszenierung auf offener Bühne, vor der sich ein Gazevorhang hebt und senkt, auf den immer wieder Live-Videobilder projiziert werden, löst das in viele Traumbilder auf. Sogar ein Bär taucht auf, aus dessen Pelz sich die Prinzessin schält. Der plötzliche Sinneswandel des Prinzen, der nach der Begnadigung durch den Kursfürsten doch lieber „das heilige Gesetz des Kriegs“ verherrlichen will, steht hier ebenso als Traumsequenz, die wieder zum Anfang verweist.
Mit einem allegorischen Tableau nach dem vermeintlichen Tod des Kurfürsten in der Schlacht, bei dem dem Prinzen der Siegerkranz gereicht wird, scheint die Vorstellung schon nach einer Stunde beendet. Das Ensemble verneigt sich, die Blumen bekommt aber der Kurfürst überreicht. „Ein Traum, was sonst.“ Nur dass der Prinz hier aus seinem gerissen wird. Preuss treibt die Träumerei ein ums andere Mal auf die Spitze und fügt auch noch Kleists Aufsatz über das Marionettentheater ein, bei dessen Rezitation ein Chor von mit dem Hintergrund verschwimmender Statisten die Glieder der SchauspielerInnen bewegt. Kleists Zweifel an der natürlichen Unbefangenheit des Menschen, an seiner Vollkommenheit überträgt sich so auf den Prinzen, der wie schon zu Beginn im schicksalhaften Kreislauf aus Liebestraum und Tod gefangen bleibt. Zwei Figuren, die in ihrer eigenen Welt gefangen nicht mit den unlösbar scheinenden Konflikten der Realität klar kommen und jeder auf seine Weise zu extremen Handlungen neigen. Das fängt die traumwandlerische Inszenierung recht eindrucksvoll ein.
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Prinz Friedrich von Homburg am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold
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Stefan Bock - 19. Mai 2019 ID 11422
PRINZ FRIEDRICH VON HOMBURG (Schauspiel Leipzig, 18.05.2019)
Regie: Philipp Preuss
Bühne: Ramallah Aubrecht
Kostüme: Eva Karobath
Musik / Live-Musik: Kornelius Heidebrecht
Live-Musik: Philipp Rohmer
Video / Live-Video: Konny Keller
Dramaturgie: Clara Probst
Licht: Carsten Rüger
Mit: Felix Axel Preißler, Anna Keil, Andreas Keller, Markus Lerch u.a.
Premiere war am 27. April 2019.
Weitere Termine: 30.05. / 22.06.2019
Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-leipzig.de/
Post an Stefan Bock
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