Krachendes
Open-Air-
Spektakel
DIE RÄUBER im Monbijou-Theater Berlin
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Daniel Sellier als Karl Moor | Foto (C) Stefan Bock
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Bewertung:
Das Monbijou-Theater wartet in dieser Open-Air-Spielzeit gleich mit zwei deutschen Klassikern auf. Mal nicht Shakespeare oder Molière, sondern Schiller und Goethe im Doppelpack. Das klingt zunächst nicht unbedingt nach blanker Unterhaltung, verkennt aber auch die Tatsache, dass es die beiden Dichter in ihren Frühwerken schon mal richtig krachen ließen. Wie etwa Goethe in seinem satirischen Lustspiel Die Mitschuldigen, das vor zwei Jahren im Amphitheater im Monbijoupark gegenüber der Museumsinsel seine Premiere feierte und nun wieder auf dem Spielplan steht.
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Auch Schiller hat eine recht bekannte Jugendsünde zu verzeichnen. Sein Sturm-und-Drang-Drama Die Räuber ist allerdings wesentlich berühmter und hat nach seiner Mannheimer Uraufführung 1782 einen wahren Siegeszug auf den deutschsprachigen Theaterbühnen hinter sich. Marcel Reich-Ranicki hat das zu einer herrlichen Schimpftirade mit anschließender verbaler Umarmung hingerissen. „Es ist schon ein Blödsinn sondergleichen“, lässt sich der Literaturpapst selig auf einem YouTube-Video aus. „Das ist schon ein ziemlich albernes, ein schlimmes Stück, was der 19-20jährige Schiller hier geschrieben hat. Was passiert hier nicht alles. Der Kitsch triumphiert, die Trivialliteratur auf Schritt und Tritt.“ Und trotzdem liebt MRR seine Räuber, das einzige geniale deutsche Sturm-und Drang-Drama, gegen das Goethes Götz von Berlichingen nur ein Dokument im Archiv der Literarturgeschichte ist.
Man nennt hier die Räuber auch „Schillers krachende Ouvertüre“. Als solche parodiert Schauspieler Matthias Horn zu Beginn den großen Literaturkritiker MRR in Wort und Geste, Schillers alten Schinken zwischen zwei Buchdeckeln haltend. Töricht, schändlich, lächerlich und albern, das sind nicht unbedingt Attribute, mit denen sich großes Theater machen ließe. Der Elan, der Schwung und die jugendlichen Kraft, die MRR dem Stück aber ebenso bescheinigt, liefern jedoch nach wie vor die besten Voraussetzungen für ein wunderbar publikumswirksames Sommer-Spektakel, dass das Ganze trotz lähmender Dauerhitze dann auch ist. Mit Witz, Wut und jeder Menge parodistischem Spaß legt sich das Monbijou-Ensemble unter der Regie von Maurici Farré gegen Schillers Pathos ins Zeug.
Protest gegen die ganze Welt und das Kastratenjahrhundert führt die raufende und saufende Räuberbande (das ganze Ensemble in wechselnden Rollen), die hier fast parithetisch männlich und weiblich besetzt ist, in die böhmischen Wälder. Einen charismatischen Führer braucht es dafür aber auch. Den gibt hier Daniel Sellier als vom Bruder Franz (Daniele Veterale) verratener und vom Vater (Matthias Horn) verstoßener, enterbter Sohn Karl Moor, mit großer Geste Schillers originale Verse im Munde und die Räuberbande nebst Publikum in der Hand. Das Nachsehen hat der ehrgeizige Spiegelberg, der mit Rashidah Aljunied ein ums andere Mal ebenso Beifall heischend das Publikum direkt anspricht. Wer in Reichweite sitzt, muss damit rechnen, auch mal kurz mitspielen zu müssen.
Während Karl und Bande ganz Böhmen unsicher machen, macht sich daheim Franz die Kanaille an seines Bruders Flamme Amalia (Julia Pohl) heran, die sich den schleimigen Intriganten vom Leib halten muss. Der alte Vater wird schließlich brutal ins Holzverließ gestoßen, das er nur um kurze Zeit nach seiner Errettung überlebt. Das perfide Intrigenspiel mit falschen Briefen und gedungenem Zeugen wechselt mit den Mordbrennereien der Räuber, die auch nach und nach dezimiert immer noch hinter ihrem Hauptmann stehen. Sogar ein kleines Räuberrad, gleich dem der Volksbühne, dass Frank Castorf nach seiner Demission so publikumswirksam vom Rosa-Luxemburg-Platz entfernen ließ, wird kurz auf die Bühne geschleppt. Ein kleiner, Fäuste reckender Solidaritätsbeweis und netter Gag.
Ansonsten wird viel geklettert, gestürzt und gestorben, auch etwas Theaterblut dabei verspritzt. Doch nach nur 90 Minuten nebelt, donnert und blitzt es schon zum feuchten Finale, das hier recht abrupt und fast schon etwas unspektakulär endet. Aber das ist auch die Krux von Schillers jugendlichem Streich. Er will so recht nicht mehr in unser lasches und alternativloses Säkulum passen.
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Die Räuber im Monbijou-Theater Berlin | Foto (C) Bernd Schönberger
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Stefan Bock - 10. August 2018 ID 10838
DIE RÄUBER (Monbijou-Theater, 07.08.2018)
Regie: Maurici Farré
Dramaturgie: Maurici Farré
Kostümbild: Isa Mehnert
Bühnenbild: David Regehr
Maskenbild: Nina Dell
Technische Leitung: Sebastian Söllner
Besetzung:
Alter Moor ... Matthias Horn
Karl Moor ... Daniel Sellier
Amalia ... Julia Pohl
Franz Moor/Schufterle ... Daniele Veterale
Nele/Roller ... Franziska Hayner
Spielberg ... Rashidah Aljunied
Herman ... Robert Schonk
Schweizer ... Hartmut Lehnert
Premiere war am 13. Juni 2018.
Weitere Termine: noch bis 02.09.2018
Weitere Infos siehe auch: http://www.monbijou-theater.de
Post an Stefan Bock
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