Fünf Mal
Widerstand
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Timoor Afshar in Aedis von Alessandro Giaquinto | © Stuttgarter Ballett
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Bewertung:
Hoffentlich wird das nicht zur Gewohnheit, dass Intendanten, die gemeinhin unsichtbar im Hintergrund wirken, vor den Vorhang treten wie der Theaterdirektor im Faust, um Applaus einzukassieren für ihren Trotz gegenüber dem feindlichen Virus. Fünf Uraufführungen stehen unter dem Titel Response II auf dem Programm, und es kann vorerst – da hilft die pathetischste Rhetorik nicht – nur fünf Mal stattfinden, ehe die Theater bis Ende November ihre Pforten schließen.
Zwei Paare treten in Aedis von Alessandro Giaquinto auf, eins auf Distanz, eins in engem Kontakt, was den beiden erlaubt ist, weil sie in einem Haushalt wohnen. Eine schwarze Matratze und ein ebenso schwarzer Tisch dienen als Unterlage. Die Tänzer schlängeln sich, bieten ausgreifende Gesten der nackten Oberkörper, ehe sie sich alle vier dem Geist der Musik von Nik Bärtsch und Vivaldi unterordnen.
Aliunde Levi von Aurora De Mori ist ein Solo für Hyo-Jung Kang. Es folgt dem puren Rhythmus der Trommel und dem von Naturgeräuschen begleiteten Flötenklang für eine Choreographie, die afrikanische und asiatische Folklore in Erinnerung ruft.
Bei Chrysalis von Vittoria Girelli drohen die suggestive Bewegung von Schuberts Allegro moderato aus der Sonate in a für Arpeggione und Klavier und die flatternden türkis-braunen Rüschenhosen vom Tanz abzulenken, die Aufmerksamkeit für sich zu beanspruchen.
Im Schlussstück Mehlberg von Shaked Heller wiederum, in dem die Stuttgarter Publikumslieblinge Elisa Badenes und Louis Stiens zusammen mit Angelina Zuccarini auftreten, dominiert das Bühnenbild, eine Art Bunker oder Gefängnis, zu dem die Alte Musik einen Gegensatz bildet, aber, wie auch die Choreographie, stellenweise den Eindruck von Beliebigkeit hinterlässt.
Das originellste Stück des Abends heißt Resonanz. Zur Clapping Music von Steve Reich und zu Julius Klengels Hymnus für 12 Celli reizt die Choreographie von Agnes Su die Dialektik von Geometrie und Mechanik, von Licht und Schatten, von Witz und Lyrizismus, von Perkussion und Streicherkitsch aus.
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Das Ballett lässt sich nicht einschüchtern. Und das Stuttgarter Publikum sowieso nicht. Selbst wenn die Sitzplätze Mangelware sind. Irgendwann geht auch das vorüber. Bis dahin wird getanzt. Und danach erst recht.
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Christian Pforr, RocioAleman und Clemens Fröhlich in Resonanz von Agnes Su | © Stuttgarter Ballett
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Thomas Rothschild – 31. Oktober 2020 ID 12568
RESPONSE II (Stuttgarter Ballett, Opernhaus | 30.10.2020)
Aedis
Choreographie: Alessandro Giaquinto
Aliunde levi
Choreographie: Aurora De Mori
Chrysalis
Choreographie: Vittoria Girelli
Resonanz
Choreographie: Agnes Su
Mehlberg
Choreographie: Shaked Heller
Premiere war am 30. Oktober 2020.
Weitere Termine: 31.10. / 01.11.2020
Weitere Infos siehe auch: https://www.stuttgarter-ballett.de
Post an Dr. Thomas Rothschild
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