Gott- oder
hilflos?
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Hiob in der Vaganten Bühne | Foto (C) Manuel Graubner
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Bewertung:
Regisseurin Jasmina Hadžiahmetović, die uns in den letzten Jahren v.a. durch Musiktheater-Inszenierungen (Erwartung_Nada im Radialsystem 2013, Lover im Kraftwerk Berlin 2014 oder Ernani bei den Opernfestspielen Heidenheim 2019) aufgefallen war, hat jetzt für die Vaganten Bühne im Berliner Westen Hiob, den Roman von Joseph Roth (1894-1939), einiger Maßen stücktauglich gemacht und durch Magdalene Artelt, Christian Dieterle, Senita Huskić und Florian Rast vorspielen lassen.
"Ein jüdisches Schtetl im zaristischen Russland: Inmitten von heißen Sommern und bitterkalten Wintern führt der Lehrer Mendel Singer ein Leben, das von Armut und Entbehrungen, von Ritualen und Gottesfurcht geprägt ist. Dann trifft den frommen Mann ein Schicksalsschlag: Sein viertes Kind, der Sohn Menuchim, kommt mit einer Behinderung zur Welt. Als Mendel Singer in der Hoffnung auf ein besseres Leben beschließt, nach Amerika auszuwandern, muss die Familie den kranken Sohn schweren Herzens zurücklassen.
Die bohrenden Zweifel an dieser Entscheidung sind erst der Beginn von Mendels Leidensweg. In Amerika bleibt er ein Fremder und Außenseiter. Nach und nach stürzen die Grundpfeiler seiner Existenz ein, als er seine Söhne, seine Frau und schließlich die Tochter verliert. Er beginnt zu zweifeln. Was ist das für ein Gott, der ein solches Unglück zulässt? Mendel gerät an die Grenzen seiner bislang unerschütterlichen Duldsamkeit. Plötzlich hinterfragt er die letzte Konstante seines Lebens: das Vertrauen in seinen Gott."
(Quelle: vaganten.de)
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Hiob in der Vaganten Bühne | Foto (C) Manuel Graubner
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Die Hiob-Taschenbuchausgabe von KiWi kommt auf etwas über 200 Seiten, ich hatte sie zuletzt vor zirka 25 Jahren in der Hand... Jetzt blättere ich in ihr hin und her, ja und da fallen mir die einen oder anderen Stellen auf, welche ich gestern Abend (rein akustisch) wiederzuerkennen meinte, und ich konnte mich fast nicht mehr an das Buch im Ganzen rückbesinnen, andere Romane Roths blieben mir ungleich stärker in Erinnerung. Interessanter daher waren (jedenfalls für mich!) die von den Machern praktizierten Neu-Textierungen (sprich Fremdtexte) zur aktuellen Lage und/oder nicht allzu weit zurückliegenden jüngeren Vergangenheit: Ausgrenzungen, Verfolgung & Vertreibung, Flucht, Exil, Emigration/Imigration... Die Liste der Begriffe, die sich um die großen Themen unverarbeiteter, unbewältigter Geschichtsschreibung(en) dreht, ist lang und ohne jedes Ende - und das exemplarische Auffinden eines Einzelschicksals, anhand dessen "man" diese unfassbare(n) Tragödie(n) als ein beispielhaftes Mitfühlstück auf dem Theater kneten müsste, macht nicht unbedingt dann Sinn, besonders dann nicht, wenn "man" sich (wie heutzutage üblich) aus dem Fundus aufgeschriebener Roman-Literatur bedient. Und das wie zufällig Herbeizitierte bleibt bloß Stückwerk, falls "man" nicht ein eigenständig-neues Werk zur Werkvorlage schafft und sodurch etwas wirklich Neues (und von mir aus auch als neues Stück) kreiert.
Der Plot (aus dem Roman) ist halbwegs nachvollzogen worden - die fantastisch-märchenhafte Fortentwicklung und Verwandlung des von seiner Epilepsie geheilten Hiob-Sohns zum musikalischen Wunderkind blieb freilich außen vor; obgleich gerade diese Kitsch-Wendung nach theatralischer Bemühung hätte schreien wollen.
Irgendwie schon halbherzig, teilweise sogar hohl.
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Andre Sokolowski - 14. September 2019 ID 11678
HIOB (Vaganten Bühne, 13.09.2019)
Regie: Jasmina Hadžiahmetović
Ausstattung: Hella Prokoph
Dramaturgie: Lars Georg Vogel
Regieassistenz: Stella Schimmele
Ausstattungsassistenz: Johanna Bajohr
Hospitanz: Anna Pohlmann
Technische Leitung: Benjamin Laber
Mit: Magdalene Artelt, Christian Dieterle, Senita Huskić und Florian Rast
Premiere war am 13. September 2019.
Weitere Termine: 14., 15.09. / 01., 02., 29.-31.10. / 21.-23.11.2019
Weitere Infos siehe auch: https://www.vaganten.de
http://www.andre-sokolowski.de
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