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Die Installation der Angst am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

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Angst ist Trumpf. Sie vermag sich durch alles durchzufressen. Ob wir Angst haben vor Gift, Seuchen, Krieg, Arbeitslosigkeit, Fremden oder einer Erkältung – man kann eigentlich vor Allem Angst haben, flüchten oder unbeweglich werden und wie gelähmt durch das Leben gehen. Auch politisch dient Machthabenden die Verbreitung von Angst seit Jahrtausenden als Mittel der Unterdrückung.

Ausgerechnet am Halloween-Abend zeigte das Theater Bonn nun Die Installation der Angst als Adaptation des gleichnamigen Romans des portugiesischen Autors Rui Zink (2012/ 2016 in deutscher Übersetzung). Clara Weyde inszenierte diese bissige und groteske Satire über politisch prekäre Entwicklungen als Kammerspiel mit drei Darstellern.

*

Die Ausgangssituation ist interessant: Zwei staatliche Beamte wollen zügig und korrekt Angst bei einer alleinstehenden Frau installieren. Wie bei einer Alarmanlage erklären sie der Frau die Angst und wovor sie welche haben sollte. Sie stellen ihr verschiedene Spielarten vor. Mal bedrängen sie die Frau und drohen ihr, mal besingen sie zweistimmig die Finanzkrise und unheilvolle Mechanismen der Märkte, dann lassen sie die Frau Kinderängste nacherzählen. Die Beamten betonen dabei stets die patriotische Pflicht, die hinter dem Erlass der Angst stehen soll. Die namenlose Frau macht gute Miene zu den Marketing-Phrasen ihrer Besucher. Sie bewahrt Contenance. Gleichzeitig ist ihr der Besuch der beiden Herren gar nicht recht, zumal sie eigentlich indisponiert und ihre Toilette sowieso kaputt ist. Als dann doch einer der Herren das stille Örtchen aufsuchen muss, kommt es zum dramatischen, gar blutigen Showdown.

Anna Bergemanns Bühne zeigt einen großen hellen Kasten mit beweglichen, lamellenartigen Wänden. Zu Beginn wird das Schauspiel über Video auf die Frontwand dieses Hauses geworfen. Später werden die Wände aufgebrochen, vermitteln dem Publikum Einblick auf das Live-Schauspiel und werden neugeordnet. Anfangs fesselt noch Lydia Stäublis sublimes Spiel als angespannte, aber betont folgsame Frau. Durch die Videoprojektion wird ihre subtile Gestik großformatig eingefangen. Zu Beginn bergen plötzliche Aufschreie der Frau Überraschungsmomente. Ausstatter Clemens Leander hat für Stäubli ein recht furchterregendes Gebiss mit stummelartigen gelblichen Zähnen fertigen lassen. Mit einem beeindruckenden Zähneblecken wird sie bald einen der Beamten in die Flucht schlagen, der sie gerade als Horrorclown erschrecken wollte.

Rui Zinks sarkastische Novelle speist sich aus zahlreichen Subtexten. Der portugiesische Romancier lässt allgemeinen Redekanon, Klischees, Redewendungen, Sprichwörter, bekannte Phrasen und Anspielungen aus einschlägigen Medien mit in seine Parabel einfließen. Die Furcht, welche die beiden Beamten der alleinstehenden Frau einzubläuen versuchen, erscheint alsbald recht beliebig. Schon lange zuvor wird klar, dass sich Furcht nicht herbeireden lässt. Auch als einer der beiden Beamten mit der Frau ein Tänzchen wagt und sie kurzerhand in einen Pappkarton setzt, bewahrt sie Ruhe. Sie kramt zur Versorgung ihrer unverhofften Gäste ganz viele Plastikdosen mit unbestimmbaren Inhalten hervor. Die Frau stapelt diese auf dem Küchentisch, vielleicht als Anzeichen dafür, dass noch viel zu erwarten ist. Sie knetet Teig für ihre Gäste und backt Kuchen. Als Eindringlinge im Hoheitsgebiet der Frau lassen die beiden Beamten sich an ihrem Küchentisch Wasser und Teigwaren auftischen. Sie schielen jedoch sogleich vorsorglich darauf, wie die Frau daselbst als Vorkosterin die Nahrung aufnimmt. Alberne Absurditäten häufen sich. Die Frau wird ungeduldig.

Wilhelm Eilers markiert als Beamter Sousa wenig überzeugend in wechselnden Kostümen unterschiedliche dahergekommene Mephisto-Figuren. Auch Christian Czeremnych charmiert als Beamter Carlos um die Frau allzu bemüht, unbeholfen und ernst herum. Die Motivation für mögliche Furcht wird oft nur angerissen und nicht ausgespielt. Es fehlt an Suspense, Übertreibung und Gruselmomenten. Die Vorführung hat deutliche Längen, wird alsbald recht vorhersehbar, altbacken und albern. Gegen Ende wird dann auch noch ein Totem aus der Versenkung geholt. Viel kann passieren, doch Angst bemächtigt sich der geneigten Zuschauer hier ganz sicher nicht.



Die Installation der Angst am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu

Ansgar Skoda - 3. November 2019
ID 11783
DIE INSTALLATION DER ANGST (Werkstatt, 31.10.2019)
Inszenierung: Clara Weyde
Bühne: Anna Bergemann
Kostüme: Clemens Leander
Musik: Thomas Leboeg
Licht: Ewa Górecki
Dramaturgie: Nadja Groß
Besetzung:
Eine Frau ... Lydia Stäubli
Carlos ... Christian Czeremnych
Sousa ... Wilhelm Eilers
Premiere am Theater Bonn: 31. Oktober 2019
Weitere Termine: 06., 08., 15., 21., 28.11. / 14., 28.12.2019


Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-bonn.de


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