Mary Said
What She
Said
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Isabelle Huppert als Mary | Foto (C) Lucie Jansch
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Bewertung:
Mary said... und sie sagt eine ganze Menge, genau genommen redet sie pausenlos während des ganzen Stückes. Sie allein auf der Bühne im schwarzen Königinnenkleid des 16ten Jahrhunderts, umgeben von gleißendem Licht (Robert Wilson) und der wahnsinnig schönen Musik von Ludovico Einaudi - absolut passend in jedem Moment.
Sie nun, Isabelle Huppert, steht hier inmitten der Bühne allein für all die geschundenen Königinnen und letztlich Frauen, unterdrückt, zurechtgewiesen von der Kirche, und in ihrem Stand muss sie die Rolle spielen. Das endet, um es gleich vorweg zu nehmen, mit dem Tod durch das Beil, ausgesprochen durch die protestantische Königin Elisabeth I., ihrer Cousine. Der Henker ist besoffen, schlägt zwei mal daneben, erst beim dritten Mal trifft er.
An der Kasse wurde ich noch gewarnt, es wäre kein Märchen. Nein, es ist bittere Wahrheit, die von Isabel Huppert stellvertretend für Mary Stuart, Königin von Frankreich und Schottland gespielt bzw. gesprochen wird. Sie bleibt lange in der Mitte der Bühne stehen, gleichsam gefangen in der höfischen Etikette, unbeweglich wie ein Scherenschnitt vor dem grellen Licht, erzählt sie die Geschichte über Liebe, Macht und Verrat.
Schattengleich begleitet sie der Tod ihr ganzes Leben lang.
Mary steht im Grunde für die Urform der heiligen Jungfrau, ihr Karma scheint besiegelt bis zum heutigen Tage: das Drama der Frau, ohne sie läuft nichts, aber mit ihr auch nicht. Es ist Seelenarbeit, vom Schatten zum Licht. Nach ihrem Tod, durch drei erschreckend laute Schläge symbolisiert, findet man sie im Himmel wieder, auf Wolken stehend, verbunden mit dem Gott des Wissens durch einen weißen Strahl. Es wird heller, ihre Stimme schneller, schreit sie es heraus, gegen den gnadenlosen Druck der Katholischen Kirche, die Marys sind noch unter uns, stark und schwach zugleich.
Vergessen wir Vergangenheit und Zukunft. Doch wie soll das gehen? Jede Pore unseres Lebens ist getränkt von all diesen Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten gegen Frauen seit Jahrhunderten! Es heißt, die gepuderte Jungfrau, die Männer durch die Hintertür hineinließ. Das gab viel Stoff für all die Intrigen und Boshaftigkeit, für Feinde und Dummheit. Das ist heute nicht anders und wird meist im Internet ausgetragen.
Isabelle Huppert: „Ich bin ein leerer Schatten.“
Im Publikum beginnt der Hustenreiz. Immer mehr erhebt Mary ihre Hände, ergibt sich ihrem Schicksal, stolz und ohne Demut. Das einzig Tröstende ist die Musik von Ludovico Einaudi.
Es ist fast verwunderlich, das Haus ist ausverkauft, hinter mir eine Frau, die schon im Juli die Karte gekauft hat. Ein grausames Drama lässt keinen los, oder sind es die Berühmtheiten, die hier nach Hamburg geholt wurden? Standing Ovations für diese französische Ausnahmeschauspielerin, die es fertig bringt, ein Stück allein im Monolog aus 86 Absätzen zu führen. Im Grunde geht es um die Frage, wer sie ist, ja wer wir alle sind. Es ist kraftraubend, auch anstrengend die Untertitel über der Bühne zu lesen, gleichzeitig bei ihr zu bleiben, das ganze bildgewaltige Stück zu erfassen, offen dafür zu bleiben, das blendende Licht zu ertragen.
Es gibt keine Gnade, wer kann seinem Schicksal entkommen, der Tod ist gewiss, das Leben die Hölle, zumindest gibt es keine Auflösung, außer den letzten Worten Marias:
„In meinem Ende liegt mein Anfang.“
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Isabelle Huppert in Robert Wilsons Mary Said What She Said | Foto (C) Lucie Jansch
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Liane Kampeter - 30. September 2019 ID 11710
MARY SAID WHAT SHE SAID (Thalia Theater Hamburg, 28.09.2019)
Regie, Bühne und Lichtdesign: Robert Wilson
Autor: Darryl Pinckney
Musik: Ludovico Einaudi
Kostüm: Jacques Reynaud
Körpertrainer: Fani Sarantari
Sound Design: Nick Sagar
Make Up Design: Sylvie Cailler
Haar Design: Jocelyne Milazzo
Mit: Isabelle Huppert
Uraufführung in Paris war im Mai 2019.
Deutschland-Premiere (in Hamburg): 27. September 2019
Weitere Infos siehe auch: https://www.thalia-theater.de
Post an Liane Kampeter
https://www.liane-kampeter.de
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