Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Freie Szene

Ein Licht für

Theatergeister

oder tags allein

im Theater



Bewertung:    



Wer wollte nicht schon mal ganz allein durch ein Theatergebäude stromern? Manch alter Kasten hätte da auch sicher so manches Geheimnisvolles zu bieten. Während anderswo Theater schon wieder vor Publikum spielen dürfen, macht das kleine, wie seit drei Monaten alle Berliner Theaterhäuser verwaiste kommunale Theater in der Brotfabrik am Caligariplatz in Berlin-Weißensee nun aus der Not eine Tugend und veranstaltet Audio-Walks für interessierte Einzelgänger. Theater geht nennt sich die vom Leiter der BrotfabrikBühne Nils Foerster initiierte Veranstaltung, für die man sich - für lau, wohlgemerkt - auf der Website des Theaters anmelden kann. Benötigt wird dafür lediglich ein gängiges Smartphone und ein paar Kopfhörer, dann kann es pünktlich zur gebuchten Zeit losgehen. Treffpunkt ist ein leerer Stuhl im Hof der Brotfabrik. Station 1 auf dem ca. 1:50 h dauernden Solo-Tour, für die man eine per SMS gesendete Audio-Datei aufs eigene Handy herunter lädt.

Im Hof residiert die in einem alten Pferdestall untergebrachte BrotfabrikGalerie. Die Chefin beschreibt sehr genau die letzte Ausstellung, bevorstehende Umbaupläne sowie das inklusive Konzept der Galerie. Viel ist geplant und soll trotz Corona auch weiter durchgeführt werden. Weiter geht (lt. Weisung einer Siri-Stimme für den ganz coronagerecht kontaktfreien Begleiter) der Audio-Walk. Nun spricht Nils Foerster von anderen Zeiten. Von Shakespeares Globe, einem alles andere als kontaktfreiem Theater und, wenn man so will, Kontaktbörse für Bakterien und Viren, wovon auch ein verhängter Lockdown während der Pest in London kündet. Eine, wie Foerster vermutet, sicher recht kreative Phase für den Stückeschreiber Shakespeare. Quarantäne als Quell der Inspiration, eine immer wieder verbreitete Theorie seit der kollektiv verordneten Vereinzelung zur Eindämmung von Covid-19. Wie es anderen im Kulturbetrieb damit geht, erfährt man im weiteren Verlauf des Audio-Walks quer durch die Brotfabrik. Vom Koch der Kneipe über den Kinovorführer bis zum Schauspielensemble, dem Licht-Techniker und natürlich auch einem Theaterkritiker reicht das Spektrum der Stimmen, die sich zur aktuellen Situation äußern.

Für alle dienstbaren Theatergeister darf man im Hof kurz ein Licht im Fenster des Theaterraums im ersten Stock anschalten. Eine alte Tradition, wie es heißt. Wie von Geisterhand wird dann auch nach und nach das Licht auf der Treppe nach oben angeschaltet, über die der stufenweise Weg in den Lockdown der Theater und wieder hinaus nachvollzogen wird. Oben angekommen, übernimmt Lichttechniker Rio, ohne den hier nichts laufen würde. Und unter Anleitung von Travestie-Künstler Micha alias Daisy Orkan kann man, natürlich nur wenn man will, auf der leeren Brotfabrik-Bühne eine Shirley-Bassey-Nummer einüben. Glamouröser Goldfinger-Auftritt versus leer stehende Theater für Gerichtsverhandlungen nutzen, wie es Berlins Justizsenatorin vorschlägt. Die Entscheidung dürfte nicht schwer fallen. Eher schon die Wahl zwischen Kunstfreiheit und gesundheitlicher Unversehrtheit aller.

„Kunst ist Lebensmittel“, steht in großen Lettern auf der Fassade der Brotfabrik. Vom Auftritt als echte Supermarktkassiererin schwärmt eine Schauspielerin, die ihren Beruf momentan nicht ausüben kann. Aber es geht nicht nur um den Preis von Nudeln und Klopapier. Wie bestimmt sich der Wert von Kunst, was erwarte ich vom Theater, und was bin ich bereit dafür zu zahlen. Ist die digitale Kost nur ein fader Ersatz für die Livepräsenz im Theater? Beim Blick hinter die Kulissen in die Garderobe oder auf den wieder belebten Platz vor der Brotfabrik darf man die Gedanken schweifen lassen und auch ein Schild malen. Wer will, kann am Ende die Flügel ausbreiten und auf dem Vorplatz landen. Und vielleicht wird einem dafür sogar Beifall gespendet. Der gebührende Lohn, der den Theaterschaffenden momentan so fehlt, wie dem Publikum das Theater überhaupt. Apropos, es fehlen auch Spenden im ganz herkömmlichen Sinn, die, bis das Brotfabrik-Theater in leider noch nicht absehbarer Zeit wieder zum Normalbetrieb übergehen kann, auch dringend benötigt werden.



Vor der Brotfabrik Berlin | Foto (C) Stefan Bock

Stefan Bock - 24. Juni 2020
ID 12317
Weitere Infos siehe auch: https://www.brotfabrik-berlin.de/


Post an Stefan Bock

Freie Szene

Live-Streams

Neue Stücke

Premierenkritiken



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)