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Die Politiker von Wolfram Lotz

Charlotte Sprenger inszenierte am Thalia Theater Hamburg das Bühnenlanggedicht des Autors als rein bebildernde chorische Lautmalerei mit Gesangseinlagen

Bewertung:    



Setzte Regisseur Sebastian Hartmann bei der Berliner Uraufführung des Langgedichts Die Politiker von Wolfram Lotz noch auf einen Solovortrag, den er als finalen Paukenschlag an seine recht assoziativ und eher wortkarg vor sich hin meandernde Alt-Politiker-Abschiedsklage nach Shakespeares König Lear setzte, hat sich Charlotte Sprenger in ihrer Inszenierung für das Hamburger Thalia in der Gaußstraße für eine chorische Umsetzung entschieden. Diese kam jetzt - wie zurzeit pandemiebedingt üblich - als Livestream zur digitalen Premiere.

„Laut gelesen und gesprochen, erklingt eine Wortmusik aus einzelnen Sätzen. Ein Gemisch aus Mantra und Wechselrede, ein scheinbar assoziativer Gedankenstrom, der aber doch zum Punkt kommt, zum Doppelpunkt: Es geht um uns!“ So in der Ankündigung des Thalia Theaters zu lesen - kommt die Inszenierung in der theatralen Umsetzung dann aber eher als brave Bebilderungsarie daher. Inhaltlich ist Wolfram Lotz‘ Politiker-Text sicher schwer zu fassen. „Assoziativer Gedankenstrom“ [s.o.] trifft es da schon recht gut. Selbst bezeichnet es Lotz als ein „Selbstgespräch am offenen Fenster“, wobei er scheinbar wahllos und fast dadaistisch anmutend den von ihm bedichteten Politikern zum Teil recht sinnfreie Eigenschaften und Handlungen zuschreibt und er lautmalerisch meandernd vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt. Rhythmisch gesehen lädt das zur musikalischen Umsetzung ein.

Bewältigt wird das hier von Sandra Flubacher, Pascal Houdus, Oliver Mallison, Björn Meyer, Toini Ruhnke und Merlin Sandmeyer, begleitet vom Live-Musiker Philipp Plessmann und live gefilmt von Max Schlehuber. Verschwommene Bilder liefert zu Beginn die Kamera von einem polyphonen und ebenfalls unscharfen Raunen des Ensembles, das sich fast wie bei einer Art Séance auf der Bühne zusammengefunden hat und nur ganz langsam Kontur annimmt. „Hilf mir, Licht“, und es wird Licht. „Es ist Nacht“, und alle legen sich hin. So bebildert wird Lotz` meandernder Gedankenstrom immer wieder auch von solistischen oder chorischen Gesangseinlagen unterbrochen, wobei italiensicher Schlager ("Volare"), Gerapptes oder Popklassiker wie "Moviestar", "All I Have to Do Is Dream" oder "It’s My Party" zum Einsatz kommen. Auch Schuberts Winterreise klingt mal sanft an.

Vom Band laufen Angela Merkels vielbeachtete Entschuldigung zur sogenannten Osterruhe und eine rhythmisch verfremdete Rede von AfD-Politikerin Alice Weidel mit allerlei rechts-populistischen Schlagworten. Auch ein parodierender Kohl-Slapstick mit Klappstuhl zur medialen Wirkung eines langgedienten Alt-Kanzlers darf nicht fehlen. Soviel zur Sicht auf die realen Politiker.

Im Bühnenbild, das ein Häuschen auf Schaukelkufen zeigt, vor dem das Ensemble in eher unspezifisch vielfältiger Kostümierung (Anna Degenhard) auf einer Art Terrasse agiert, nimmt Bühnenbildner Aleksandra Pavlović Bezug auf den Text, der dieses Bild als kleinbürgerliches Idyll mit Gartenzaun und Gartenschlauch beschreibt. Auch Lotz‘ Katze hat mal ihren Auftritt. Ansonsten bietet der Abend nicht sehr viel zur Interpretation des Textes und zieht sich in immer neuen Bildern und musikalischen Schleifen, Kanons, rhythmischen Lautmalereien, Rezitationen vom Band und Lachorgien über 90 Minuten lang bis zu einem Nonsens-Blabla hin, dem dann auch noch eine Art Showzugabe folgt. Bei aller musikalischen Finesse ist das leider auf Dauer etwas enervierend. Was das soll und wozu uns Lotz‘ Gedankenflow dienen könnte, bleibt da eher verschwommen.



Die Politiker von Wolfram Lotz am Thalia Theater Hamburg | Foto (C) Emma Szabó

Stefan Bock - 10. Mai 2021
ID 12903
DIE POLITIKER (Thalia Gauß, 07.05.2021)
von Wolfram Lotz

Regie: Charlotte Sprenger
Bühne: Aleksandra Pavlović
Kostüme: Anna Degenhard
Dramaturgie: Matthias Günther
Kamera / Live-Kamera: Max Schlehuber
Musik / Live-Musik: Philipp Plessmann
Mit: Sandra Flubacher, Pascal Houdus, Oliver Mallison, Björn Meyer, Toini Ruhnke und Merlin Sandmeyer
Online-Premiere des Thalia Theaters Hamburg: 7. Mai 2021


Weitere Infos siehe auch: https://www.thalia-theater.de/


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