Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Live-Stream

Doppelte

Geister-

vorstellung



Geschichten aus dem Wiener Wald am Deutschen Schauspielhaus Hamburg | Foto (C) Arno Declair

Bewertung:    



Der neuerliche Corona-Lockdown in der Kultur macht‘s möglich: Geschichten aus dem Wiener Wald als doppelte Geistervorstellung, gespielt vor leeren Rängen am Deutschen Schauspielhaus Hamburg - und für 1.000 angemeldete ZuschauerInnen als Live-Stream ins Internet übertragen. Das ist aber nicht einfach nur eine schlecht abgefilmte Notlösung. Die Theatertechnik und Regisseurin Heike M. Goetze haben sich für die Live-Übertragung ihrer Horváth-Inszenierung einiges einfallen lassen.

Neben den ebenfalls von Goetze entworfenen Kostümen, die die Gesichter der SchauspielerInnen mit farbig-bunten Tüchern verhüllen und so ein Spiel mit der Mimik verhindern, gibt es neben statischen Kameraeinstellungen auch Nahaufnahmen mit der wackeligen Handkamera. Das Live-Filmen in Theateraufführungen gehört zwar schon länger zum Standard vieler Inszenierungen, hier aber werden die Live-Bilder nicht auf Videoleinwände projiziert, sondern mit den anderen Kamerabildern live geschnitten. So erlebt man auch schwankende Bilder und Überblendungen. Eine interessante Video-Ästhetik, die sich zusammen mit Bühnenbild, Kostüm und Musik als Gesamtkunstwerk präsentiert.

Gesprochen wird zum Beginn der Vorführung nicht. Zu sehen sind nur die maskierten DarstellerInen, denen man ihre Rollenzuschreibung nicht ansehen kann. Wie auf Droge bewegen sie sich zu einem elektronischen Sound zwischen spärlich, kopfüber hängenden Bäumen. Ein Wiener Wald auf Ambient. Verlorene, geisterhafte Tänzer ziehen Schweinehälften hinter sich her. Nach ca. 15 Minuten geben sie erste Sätze der Horváth-Figuren von sich. Zu erkennen sind vor allem der von Josef Ostendorf verkörperte Zauberkönig, seine Tochter Marianne (Eva Maria Nikolaus), ihr Verlobter, der Fleischhauer Oskar (Jan-Peter Kampwirth) und die Trafikantin Mathilde (Julia Wieninger), die sich den deutschen Studenten und Nazisympathisanten Erich (Maximilian Scheidt) angelacht hat.

So abgehackt und fragmentarisch, wie der Text hier gesprochen wird, geht es an dem nur etwa 90 Minuten dauernden Abend auch weiter. Viel Zeit nimmt sich die Regisseurin dabei nur in den Szenen der anfänglichen Verlobungsfeier im titelgebenden Wiener Wald, bei der Marianne am Ende Oskar für den zwielichtigen Charmeur Alfred (Daniel Hoevels) verlässt. Zuvor deuten schon gezielt Sätze wie „Nur niemals die Autorität verlieren! Abstand wahren! Patriarchat, kein Matriarchat!“ und „du entgehst mir nicht“ diesen Ausbruch aus Demütigungen und vorbestimmtem Ehegefängnis als Befreiung („Jetzt bricht der Sklave seine Fessel.“) an. Ein bisschen Me-Too als geisterhafter Danse Macabre, der sich auch in den folgenden Szenen vorsetzt mit dem leicht verfremdet immer wieder eingespielten Wiener- Walzer-Thema. Hier lässt niemand seine vorgefertigte Maske fallen.

Marianne wird als einzige ihre puppenhafte Kostümierung ablegen, wenn sie allein im schwarzen Dress in der Szene im „Maxim“ für die Herren tanzt. Eine weitere tranceartige Techno-Einlage, der ein finales Satzstückwerk über „Versöhnung“ und pastorales Bla-Bla folgt. Eine gebrochene Marianne im weißen Kleid mit blutiger Babypuppe steht am Ende an der Rampe. Als rein ästhetisch orientierte, stark verdichtete Live-Stream-Variante ist das durchaus interessant, insgesamt aber eine doch recht verkürzte Darstellung der düsteren Horváth‘schen Zurichtungsdramatik, der es für die Umsetzung vor Live-Publikum leider etwas an Spannung und Figurenausformung mangelt.



Geschichten aus dem Wiener Wald am Deutschen Schauspielhaus Hamburg | Foto (C) Arno Declair

Stefan Bock - 8. November 2020
ID 12588
GESCHICHTEN AUS DEM WIENER WALD (Deutsches Schauspielhaus Hamburg, 07.11.2020)
Regie, Bühne und Kostüme: Heike M. Goetze
Musik: Fabian Kalker
Licht: Annette ter Meulen
Dramaturgie: Ralf Fiedler
LiveStream Kameras: Marcel Didolff, Antje Haubenreisser, Peter Stein und Florian Dermastia
LiveStream Schnitt: Alexander Grasseck
Schnittassistenz: Vanessa Holtappels
Ton: Roman Schneider, Kai Altmann
Mit: Simon Brusis, Daniel Hoevels, Jan-Peter Kampwirth, Eva Maria Nikolaus, Josef Ostendorf, Maximilian Scheidt und Julia Wieninger
Premiere war am 7. November 2020.
Live-Stream v. 07.11.2020


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspielhaus.de/de


Post an Stefan Bock

Live-Streams

Neue Stücke

Premieren (vor Ort)



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

THEATERTREFFEN

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)