AUTORENTHEATERTAGE BERLIN 2018
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Prometheus. 25 Years of Independence (Prometheus. 25 Jahre Unabhängigkeit)
von Davit Gabunia
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Bewertung:
Nachdem die Wiener Festwochen nach dem Intendantenwechsel ihren langjährigen Osteuropa-Fokus so gut wie eingestellt haben, will nun das Deutsche Theater Berlin ein Fenster nach Osten öffnen. Das abgebaute Volksbühnen-OST hat man sich zwar nicht aufs Dach gestellt, aber zumindest ein Radar nach Osten ausgerichtet. Beim vorgezogenen und „Radar Ost“ genannten Auftakt der diesjährigen AUTORENTHEATERTAGE dürfen junge Theatermacher aus Osteuropa an drei Tagen vier ihrer Produktionen zeigen. Die Regisseure Data Tavadze aus Georgien und Michał Borczuch aus Polen sowie die lettische Regisseurin Kamilė Gudmonaitė verbinden in ihren Arbeiten u.a. alte Mythen und geschichtliche Ereignisse mit der postsozialistischen Wirklichkeit ihrer Länder und reagieren damit auf fortschreitenden Rechtsruck, Demokratieverlust und Ausgrenzung von Minderheiten.
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Recht düster ist der Befund, den Autor Davit Gabunia und Regisseur Data Tavadze ihrem Heimatland Georgien 25 Jahre nach der Unabhängigkeit von Russland ausstellen. Bereits 2016 kam ihr Stück Prometheus. 25 Years of Independence (Prometheus. 25 Jahre Unabhängigkeit) in dem von ihnen geründeten Royal District Theatre in der Hauptstadt Tiflis heraus. Nun wird es erstmals in Westeuropa gezeigt. Das schauspielende Ensemble ist wie der Regisseur 1991 im Jahr der Unabhängigkeit geboren. Gemeinsam reflektiert man anhand des antiken Mythos von Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl, um es den Menschen zu bringen und zur Strafe dafür von Göttervater Zeus an einen Felsen im Kaukasus gekettet wurde, die eigene körperliche und geistige Freiheit in der heutigen Kaukasusrepublik Georgien, die von vielen nationalen Konflikten und Grenzstreitigkeiten mit Russland geprägt ist. Aber nicht die abtrünnigen Regionen Abchasien oder Südossetien stehen im Mittelpunkt, sondern Angst vor Einsamkeit, allgegenwärtige Gewalt und nationale Heldenverehrung.
Jedes Ensemblemitglied stellt hier sozusagen seinen eigen Prometheus dar. Zunächst aber malt das an einem Tisch sitzende Ensemble einem der Darsteller Zeichen auf den nackten Leib. Er steht vor einer weißen Wand mit Elektroden an Drähte angeschlossen. Der Herzschlag ist zu hören. Die Bühne ist neben den Wandelementen mit Müll vollgestellt. Nachdem der Schauspieler angezogen wurde, beginnt das Ensemble mit einer Runde „Erinnere dich!“ eine erste Rückschau auf 25 Jahre georgische Unabhängigkeit. Man erinnert Demonstrationen, Tränengas, Kugeln, Zerstörung und Tote, Hunger, Flucht und Vertreibung, dass man in einem anderen Land zur Welt kam, die Kindheit und die Beziehung zu den Eltern. „Georgien besteht aus Augen und keinem Körper“, heißt es da auch. Und doch gibt es wie bei Prometheus eine immerwährende Wunde, dort wo ihm der Adler jeden Tag aufs neue die nachwachsende Leber herausgerissen hat.
In Soloszenen und Gruppenchoreografien mit Stühlen dreht sich die Inszenierung um die heutige Sicht auf die Vergangenheit, auf nationales Heldentum und das Verhältnis zur Heimat - aber auch um ganz persönliche Geschichten, die von den DarstellerInnen erzählt und performt werden. Die oft recht kryptischen Texte handeln von Beziehungskämpfen, die auch körperlich auf der Bühne ausgetragen werden, wenn ein Mann eine der Frauen immer wieder mit dem Kleid an die Wände tackert und sie sich daraus befreit. Eine einsame Frau spricht ihrem Geliebten auf den Anrufbeantworter. Es gibt eine angedeutete Vergewaltigung, aber auch die Hoffnung, nicht immer nur Opfer zu sein. Georgien ist auch heute noch eine sehr patriarchal orientierte Gesellschaft. Ein anderes Problem ist die Korruption und der oft totalitäre Regierungsstil. Eine Folterung wird hier angedeutet. Anhänger rivalisierender Parteien schrecken auch nicht vor Anschlägen zurück. Es wird viel schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit gewaschen, um Politiker vor oder nach Wahlen zu diskreditieren. Hier schaut sich eine Spezialkommission 3.000 Videos über sexuelle Perversionen an und gibt Noten für die Vorträge.
Heile Welt gibt es hier nur für ein paar Minuten mit persönlichen Kinderbildern und einem Home-Video einer Familienfeier von 1991. Wer die georgischen Verhältnisse nicht kennt, hat allerdings zusehends Probleme der Inszenierung zu folgen. Immer wieder ist auch vom starrenden Publikum die Rede. Ist es besser sich nicht zu erinnern? Den Abschluss bildet ein von zwei Darstellern mit Mantel und Bügel an den in einen Holzbalken geschlagenen Nagel gehängten Prometheus, der nochmal seine Strafe beklagt. Da müllert es für einige Augenblicke sogar etwas, denn auch Heiner Müller hatte sich mit dem Mythos beschäftigt und dabei die Ambivalenz des Befreiungsaktes aus totalitären Ketten betont. Hier heißt es am Ende: „Dasselbe Alter wie die Unabhängigkeit des Landes hat sein Körper.“
Davit Gabunia und Data Tavadze ist ein vielschichtiges Bild ihres Landes gelungen, das nicht immer einfach zu entschlüsseln ist, da die künstlerisch anspruchsvoll Inszenierung auch mit Sehgewohnheiten bricht.
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Prometheus. 25 Years of Independence (Prometheus. 25 Jahre Unabhängigkeit | Foto (C) Bobo Mkhitar
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Stefan Bock - 3. Juni 2018 ID 10734
PROMETHEUS. 25 YEARS OF INDEPENDENCE (Kammerspiele des Deutschen Theaters Berlin, 01.06.2018)
Regie: Data Tavadze
Bühne: Keti Nadibaidze
Dramaturgie: Davit Gabunia
Mit: Paata Inauri, Giorgi Korganashvili, Giorgi Sharvashidze, Gaga Shishinashvili, Kato Kalatozishvili, Iako Chilaia, Keta Shatirishvili und Magda Lebanidze
Gastspiel des Royal District Theatre, Tiflis - Georgien zu den AUTORENTHEATERTAGEN BERLIN
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutschestheater.de/
Post an Stefan Bock
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