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nachDRUCK # 6

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Performance

Mit dem Dürerhasen

die Bilder erklären

GO DOWN, MOSES von Romeo Castellucci


Bewertung:    



Romeo Castellucci ist bekannt für sein assoziatives, symbolhaftes Bildertheater, in dem er immer wieder Bezüge zu religiösen Themen herstellt. An der Berliner Schaubühne hat er gerade in Ödipus der Tyrann christliche Motive mit denen antiker Mythologie kombiniert. An großer, nachvollziehbarer Welterklärung ist dem italienischen Theatermacher dabei allerdings nicht gelegen. Der Zuschauer ist bemüßigt die verschlüsselten Chiffren in den Bildern des Regisseurs selbst zu lösen. So auch in der seit Oktober 2014 von Festival zu Festival reisenden Produktion Go down, Moses von Castelluccis Heimspielstätte Socìetas Raffaello Sanzio aus Cesena.

Mit dem bekannten Gospelsong gleichen Namens hat das Stück nur so viel gemein, dass es in ihm auch um die Rückführung eines Volkes aus der Sklaverei geht, wobei hier gleich die gesamte Menschheit gemeint ist, die orientierungslos in der modernen Wüste der permanenten Informationsflut gefangen ist und einsam und verloren nach einem Ausweg sucht. Diesen hat Castellucci in der biblischen Gestalt des Propheten Moses ausgemacht, der von Gott den Auftrag erhält, das auserwählte Volk aus Ägypten heimzuführen. Regisseur und Autor Castellucci verknüpft dazu alte Mythen aus dem Buch Exodus mit Phänomenen unserer Zeit.

Den Tanz ums Goldene Kalb vollführen wohl in einer Eröffnungsszene mehrere in moderner Kleidung auftretende DarstellerInnen, die wie bei einem Galerierundgang immer wieder menschliche Tableaus bilden, sich dabei berühren und das Bild Junger Feldhase von Albrecht Dürer (das Original ist in der Wiener Albertina zu bewundern) an die Wand hängen. Der Hase als mehrdeutiges Symbol christlicher wie profan bürgerlicher Ikonografie in der Kunstgeschichte. Als Zeichen Gottes, der sich Moses im brennenden Dornbusch offenbart, fährt hier eine gewaltige motorbetriebene Walze auf die Bühne und zieht bei ohrenbetäubendem Lärm, den das Theater an der Wien wohl so noch nicht erlebt haben dürfte, gnadenlos drei Perückenköpfe ein.

Wem das schon an Zeichenhaftigkeit zu dick aufgetragen erscheint, bekommt dann in der nächsten Szene noch die Leiden einer jungen Frau in einer Toilette zu sehen, die nach einer Niederkunft stark aus dem Unterleib blutet. Castellucci erzählt nun die Geschichte einer Mutter, die ihr Kind aussetzt, im Glauben es dadurch zu retten. Nach kurzem Black sieht man eine Mülltonne, aus der Babygeschrei zu hören ist. Auf der Polizeiwache versucht dann ein Kommissar die ängstliche Frau zum Reden zu bewegen, um das verschwundene Kind zu finden. Schließlich berichtet sie dem fassungslosen Polizisten von ihrem Sohn Moses, den sie im Nil ausgesetzt hat und dem einmal das Volk aus der Sklaverei in den Neubeginn der Welt folgen wird. Moses, der den neuen Bund mit Gott schließen soll, wird hier als normaler Mensch einer problembeladenen Mutter gezeigt.

Nachdem die Verwirrte zusammenbricht, schiebt man sie zur Untersuchung in ein monströses MRT-Gerät. Dabei mischen sich die lauten Geräusche des Apparats mit aufwallenden Sphärenklängen. Die Aufzeichnung der Gedankenströme der Frau führt durch die Röhre direkt in eine prähistorische Höhle, in der Urmenschen ihre Rituale abhalten, eine klagende Mutter ihr gestorbenes Baby begräbt und sich im Liebesakt mit einem Artgenossen wieder vereint. Romeo Castellucci verlangt dem Zuschauer noch einmal Einiges ab, was in einen weiteren Akt symbolhafter Abbildung mündet, wenn einer der prähistorischen Menschen mit den Händen den Gazevorhang, der die ganze Zeit Bühne und Zuschauerraum trennt, bemalt und schließlich die Buchstaben SOS darauf schreibt. Ein Symbol für den bis heute nach Hilfe suchenden Menschen. Das dröhnt dann zwar in seiner ganzen Wucht gewaltig nach, wirkt allerdings in seiner artifiziellen Zeichenhaftigkeit auch etwas bemüht und überkonstruiert.



Go down, Moses von Romeo Castellucci | (C) Guido Mencari

Stefan Bock - 28. Mai 2015
ID 8672
GO DOWN, MOSES (Theater an der Wien, 27.05.2015)
Text: Claudia Castellucci und Romeo Castellucci
Inszenierung, Bühne, Kostüme und Licht: Romeo Castellucci
Musik: Scott Gibbons
Mitarbeit Bühne: Massimiliano Scuto
Lichtassistenz: Fabiana Piccioli
Mit: Rascia Darwish, Gloria Dorliguzzo, Luca Nava, Stefano Questorio, Sergio Scarlatella u. a.
Uraufführung im Théâtre Vidy-Lausanne war am 25. Oktober 2014
Wiener Festwochen-Gastspiel von Socìetas Raffaello Sanzio

Weitere Infos siehe auch: http://www.festwochen.at


Post an Stefan Bock

blog.theater-nachtgedanken.de

Wiener Festwochen



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