Geschlechterräume,
Paarungsträume
Slowenisches Nationalballett in Bonn
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Symphony of sorrowful songs mit dem Slowenischen Nationalballett | Foto © Aljoša Rebolj
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Bewertung:
Anfangs atmet ein zentral auf der Bühne stehender Tänzer schwer zu den pathetisch-elegischen Klängen der dritten Symphonie des polnischen Komponisten Henryk Mikołaj Górecki. Er ist vollständig von einer Plastikfolie bedeckt. Mit vorsichtigen, raumgreifenden Bewegungen entschlüpft der japanische Tänzer Kento Yamamoto langsam dem Kokon. Wie aus dem Ei gepellt erscheint er nun nur mit einer Shorts leicht bekleidet. Yamatoto steht im Verlauf der Vorführung über weite Strecken im Zentrum des Geschehens. Er gliedert sich in mal umschmeichelnd-zärtliche und mal dynamisch-bewegte und stets raumgreifend fesselnde Formationen männlicher Tänzer ein. Die Tänzer bewegen sich verspielt wie mit der Leichtigkeit der Jugend. Auf Fahrrädern segeln sie etwa im Matrosendress im Kreis. Sie agieren die meiste Zeit nur mit freiem Oberkörper und in einer offen erotischen Sequenz sogar bloß mit pofreien Slips.
Der slowenische Theaterregisseur Tomaž Pandur erarbeitete die monumentale, etwa 75minütige Inszenierung Symphony of sorrowful songs über die Wahrnehmung von Zeit mit dem Choreographen Ronald Savković für das Staatsballett Berlin. Die Adaptation durch das Slowenischen Nationalballett unter der künstlerischen Leitung von Sanja Nešković Peršin lässt jedoch die in der Uraufführung vom Band eingesprochenen Texte weg und setzt andere Akzente. Man merkt, dass viele helfende Hände im Bühnenhintergrund an der Inszenierung beteiligt sind. So sorgen fahrbare breite und hohe Wände mit facettenreichen Holzmustern für effektvolle Bewegungen im Hintergrund. Auch sind die Tänzer regelmäßig mit frischem Make-up neu gestyled und agieren oft in neuem, verführerischem Dress. Bald gesellt sich zu der sinnlich verspielten Herrengruppe eine mondäne Frauengruppe, die mit auf dem Boden herrisch knallenden, hohen Absätzen stolz um Aufmerksamkeit heischt. Die Damen bewegen sich beeindruckend synchron erst in eleganten Kostümen, dann in Dessous und zuletzt in weiten luftigen Tüllröcken (Kostüme: Angelina Atlagić). Ein verlockendes Spiel aus Annäherungen und darauf folgenden Abgrenzungen nimmt seinen Lauf. Schnell findet jede einen Partner, den es einzuvernehmen gilt. Flugs vollziehen sich gewandte Hebefiguren und leichtfüßig fließende Pirouettendrehungen. Zu guter Letzt darf Giorgia Vailati ihren Kento Yamamoto wieder in Plastikfolie hüllen, auf das er erneut eine betörende Initiationsreise beginne.
Auf die sinnfreudig berauschende Bilderflut von Symphony of sorrowful Songs folgt mit Cacti (= Kakteen) vom 34jährigen Schweden Alexander Ekman eine temporeiche, witzig-dynamische Choreographie mit ganz anderem und abstrakterem Fokus. Ein Streichquartett (Domen Lorenz, Vesna Velušćek, Martin Zuzek und Barbara Gradišek) begleitet die etwa 35minütige Vorführung mit Werken von Schubert, Haydn und Beethoven. Die sechzehn Tänzerinnen und Tänzer, gekleidet in körperbetontem Einheitsdress, sorgen jedoch auch selbst für tosende Rhythmen. Einzeln nebeneinander auf Podesten sitzend, klopfen sie im fliegenden Wechsel in synchronen Gruppen mit ihren Händen auf den Boden. Dabei entsteht eine ausdrucksstark fliegende, genau aufeinander abgestimmte Gestik. Rufe im wechselnden Chor unterstützen die krachende Taktung. Tänzerische Bewegungen Einzelner brechen sich bahn.
Bald klappen die Tänzer ihre hellen Podeste mit der großformatigen Oberseite gen Publikum. Dann entsteht ein völlig neuer Raumeindruck. Denn die Tänzer sind nun vom Podest teilweise verdeckt, und von ihren Aktionen sind nur noch Oberkörper und Kopf zu sehen. Synchrone Formationen voll fließender Eleganz pulsieren rasant vor den Augen des Publikums. Schließlich bereichert auch ein charmantes Duett von Marin Ino und Lukas Zuschlag die Darbietung. Während eines Pas-de-deux kommentieren beide jede Bewegung ihrer Vorführung mit Gedanken zur Sinnhaftigkeit ihres jeweiligen Körpereinsatzes. Neben den Podesten kommen schlussendlich auch die titelgebenden Kakteen liebevoll zum Einsatz. Wahrlich ein elektrisierender Augenschmaus.
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Symphony of sorrowful songs mit dem Slowenischen Nationalballett | Foto © Aljoša Rebolj
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Ansgar Skoda - 1. April 2018 ID 10613
GASTSPIEL DES SLOWENISCHEN NATIONALBALLETTS (Theater Bonn, 28.03.2018)
Symphony of sorrowful songs
Regie: Tomaž Pandur
Choreografie: Ronald Savković
Dramaturgie: Livija Pandur
Libretto: Livija Pandur und Darko Lukić
Bühnenbild: Numen
Kostüme: Angelina Atlagić
Lichtdesign: Jaša Koceli/ Juan Gómez Cornejo
Mit: Giorgia Vailati, Rita Pollacchi, Tjaša Kmetec, Ana Klašnja, Marin Ino, Chie Kato, Elli Purkunen und Kenta Yamamoto sowie Petar Dorcevski, Lukas Zuschlag, Richèl Wieles, Filippo Jorio, Owen Lane und Hugo Mbeng
Cacti
Text: Spenser Theberge
Choreografie, Bühne und Kostüme: Alexander Ekman
Lichtdesign: Tom Visser
Chorografische Assistenz: Fernando Trayo
Ballettmeisterin: Mojca Kalar Simi
Bühnenmeister: Igor Mede
Streichquartett: Domen Lorenz, Vesna Velušćek, Martin Zuzek und Barbara Gradišek
Duett: Marin Ino und Lukas Zuschlag
Mit: Marin Ino, Giorgia Vailati, Tjaša Kmetec, Chie Kato, Elli Purkunen, Urša Vidmar und Sorina Dimache sowie Lukas Zuschlag, Petar Dorcevski, Richèl Wieles, Hugo Mbeng, Kenta Yamamoto, Filip Viljušić, Filippo Jorio und Yuki Seki
Weitere Infos siehe auch: http://www.opera.si/
Post an Ansgar Skoda
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