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Auf der Suche nach Heimat

MUTTERSPRACHE MAMELOSCHN
von Marianna Salzmann


Bewertung:    



2013 reüssierte Marianna Salzmanns Stück Muttersprache Mameloschn bei den Stücken in Mülheim und gewann den Publikumspreis.

Jetzt hat es seinen Weg nach Köln gefunden und ist in einer Inszenierung von Kay Link in der Kellerbühne des Freien Werkstatt Theaters zu sehen. Salzmann erzählt in ihrem Stück von drei Frauengenerationen: Großmutter Lin, Tochter Clara und Enkeltochter Rahel. Zugleich lässt sie 40 Jahre deutsch-jüdischer Geschichte Revue passieren, denn Großmutter Lin war eine erfolgreiche Künstlerin in der DDR, bevor sie sich dort einem wachsenden Antisemitismus ausgesetzt sah und ihre Vorstellung des besseren Systems Sozialismus jäh mit der Realität konfrontiert wurde. Nun sitzt sie in ihrem Zimmer, trauert den alten Zeiten nach und sehnt sich nach der Bühne zurück. Tochter Clara, die ihrer Mutter vorwirft, sich zu wenig um sie gekümmert zu haben, verleugnet ihre jüdischen Wurzeln und distanziert sich von allem, was mit dem früheren Leben ihrer Mutter verbunden ist. Harmonisch zusammenleben können die beiden nicht, andererseits ist für Clara die Vorstellung unerträglich, sich nicht um ihre alte Mutter zu kümmern. Mittendrin Enkelin Rahel, die an ihren jüdischen Wurzeln interessiert ist, von dem Konflikt zwischen Mutter und Großmutter aber zunehmend überfordert und deshalb das Weite sucht – sie zieht es nach New York. Kein Wunder, dass ihre Mutter wenig begeistert ist, ist vor Jahren doch auch Rahels Bruder in die Ferne gegangen, allerdings nach Israel, um dort in einem Kibbuz zu leben. Das Verschwinden des Sohnes/Bruder ist eine offene Wunde in der Familie, eine Leerstelle, über die niemand gerne spricht.

Kay Link, der neben der Inszenierung auch für die Ausstattung verantwortlich zeichnet, gibt jeder der drei Figuren einen eigenen Raum, von links nach rechts nebeneinander aufgereiht. Die Zuschauer sitzen in wenigen Reihen über die Länge der Bühne verteilt. Rahel schmückt ihr Zimmer mit einer Karte der New Yorker U-Bahn und sucht in Selbstgesprächen immer wieder den Kontakt zu ihrem Bruder. Als sie später in New York nach ihrem eigenen selbstbestimmten Leben sucht und sich nicht bei ihrer Mutter Clara meldet, zeugt ein Tapetenausschnitt aus ihrem alten Zimmer, den sie sich an die Wand pinnt, von der Sehnsucht nach Zuhause. Clara dagegen hat eine penibel aufgeräumte Wohnnische mit Kommode und Blumendeko, hübsch eingerichtet. In den Schubladen verbirgt sich allerdings die eine oder andere offene chaotische und offene Stelle im Besser-Wohnen-Ambiente. Gänzlich anders wiederum Lins Zimmer, gemütlich, in dunklen Farben gehalten und ausgestattet mit einem alten Grammophon.

In diesen Zimmern und in den Räumen dazwischen begegnen sich die Figuren. Lin und Rahel rauchen lustvoll miteinander und verheimlichen es vor Tochter/Mutter Clara. Aber auch die greift heimlich zum Glimmstengel und will sich zugleich ein vermeintlich ordentliches Leben einrichten. Die drei Darstellerinnen spielen stark: Susanne Flury gibt die leicht ausgeflippte, schräge und energiegeladene Großmutter, der dann aber doch irgendwann die Kräfte schwinden. In diesem Moment zeigt sich, welche Liebe ihre Tochter – bei aller Gegensätzlichkeit – für sie empfindet. Anja Jazeschann verkörpert eine adrette Frau mittleren Alters, die von ihrem Jüdischsein nichts wissen will, dann aber doch ganz jüdische Mama ist, als sie ihr Kind nicht gehen lassen möchte. Mona Muckes Rahel ist, ganz altersgemäß, eine Figur auf der Suche, nach den Wurzeln, nach einem selbstbestimmten Leben und mit einer ganz großen Sehnsucht nach Heimat. Trotz der durchweg engagierten Schauspielleistung krankt der Abend ein wenig am Bühnenbild: Die Weite des Raumes und zwischen den einzelnen Zimmern lässt die Figuren verloren wirken, erschwert das Zusammenspiel zu dritt. Aber auch hier zeigt sich: den Publikumspreis in Mülheim hat Muttersprache Mameloschn nicht zu Unrecht bekommen. Autorin Marianna Salzmann schafft es, eine bestimmte familiäre Konstellation auf den Punkt genau zu treffen und zugleich über die Thematik des Jüdischseins in einer deutschen Gesellschaft beinahe nebenbei einen bedeutenden politischen Horizont aufzuspannen. Die Inszenierung von Kay Link im FWT wurde für den Kölner Theaterpreis 2015 nominiert. Der Besuch lohnt sich, gerne auch mit der ganzen Familie.



Muttersprache Mameloschn am FWT Köln | Fotos (C) MEYER ORIGINALS, Bildquelle: fwt-koeln.de

Karoline Bendig - 27. November 2015
ID 9008
MUTTERSPRACHE MAMELOSCHN (FWT Köln, 26.11.2015)
Inszenierung und Ausstattung: Kay Link
Dramaturgie: Gerhard Seidel 
Licht und Ton: Christoph Wedi
Bühnenbau: Christoph Wedi und Stephan Günther
Mit: Susanne Flury, Anja Jazeschann und Mona Mucke
Uraufführung im Deutschen Theater Berlin war am 9. September 2012
Premiere im FWT Köln: 29. 10. 2015
Weitere Termine: 29. 11. / 17., 18., 26, 27. 12. 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.fwt-koeln.de


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