THEATER DER WELT | Düsseldorf, 17.06.-04.07.2021
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The Planet – A Lament
Garin Nugroho
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Bewertung:
Der Programmdirektor der diesjährigen Ausgabe von THEATER DER WELT Stefan Schmidtke spricht vom „schönsten Opernhaus der Welt“. Er meint: weil die Vorstellung im Freien stattfindet. Und er dankt dem Intendanten des Schauspielhauses für „die Kulisse“, eben dieses Schauspielhaus. Wer die Arena von Verona kennt oder den Innenhof des erzbischöflichen Palais in Aix-en-Provence, weiß, dass das mit dem „schönsten Opernhaus der Welt“ haarsträubender Unsinn ist. Aber offenbar geht es nicht ohne solche Marktschreierei. Wenn Schmidtke dann noch von einer „wunderbaren Oper“ schwärmt, die bevorsteht, sträubt sich alles in mir ob solcher plumper Suggestion. Aber The Planet – A Lament von Garin Nugroho aus Indonesien erweist sich dann tatsächlich als die bisher interessanteste Darbietung des Festivals.
Ein Chor von sieben Frauen und sieben Männern singt mehrstimmig a cappella. Er bewegt sich langsam, in stilisierter Choreographie, mit Alltagskleidung in „shades of blue“. Ihm steht zunächst eine Solistin gegenüber. Das Wort „Lament“ – „Klage“ – trifft die Stimmung genau. Im Hintergrund sieht man ab und zu schwarzweiße Filmbilder vom Meer. Man denkt an Tabu von Friedrich Wilhelm Murnau und Robert J. Flaherty.
Dann treten drei „Fresser“ auf und vollführen groteske, bedrohlich wirkende Tänze. Ihnen steht eine männliche Figur mit einem überdimensionalen Ei gegenüber. Die „Fresser“ aus dem Totenreich scheinen ihn zu verfolgen. Der Chor fügt im Sitzen perkussive Rhythmen und Rufe hinzu.
Von der Zuschauerbühne nähert sich eine schrille Figur in buntem Fantasiekostüm: „Der gefiederte Freund“. Ein Verwandter von Strawinskis Feuervogel? Er gibt kreischende Vogelschreie von sich. Die Solistin singt ihn an, scheint ihn zu füttern.
Danach fallen die drei Schreckensfiguren über den Mann mit dem Ei her und zerfleischen ihn wie gierige Geier.
Das alles ist nicht so eindeutig, wie es hier scheinen mag. Die Liedtexte, deren Übersetzung ausgehändigt wurde, aber nur auf Kosten des Hinschauens gelesen werden konnte, stehen in einem losen Zusammenhang, der sich ohne Kenntnis der für Europäer exotischen Tradition nicht unmittelbar erschließt. Was allerdings keiner Erläuterung bedarf ist der Gesang und eine Musik, die weniger fremdartig klingt als Schmidtke in seiner Einleitung drohte.
Das „schönste Opernhaus der Welt“ fordert seinen Preis. Zwei spielende Kinder, um die sich niemand kümmert, plärren in die Stille vor dem Ende, eine Kamerafrau huscht ständig über die Spielfläche, im Hintergrund fährt ein Mann ungeniert mit dem E-Scooter durch die Inszenierung.
Ein Sonderlob gebührt der Tontechnik, die den Gesang unter schwierigen Bedingungen vorbildlich verstärkte. Hier haben Mikroports einen sinnvollen Dienst geleistet.
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The Planet – A Lament von Garin Nugroho | Foto: Joel Benguigui
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Thomas Rothschild – 27. Juni 2021 ID 13001
Weitere Infos siehe auch: https://www.theaterderwelt.de/
Post an Dr. Thomas Rothschild
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