Schauspielhaus Hamburg
Songs from a room
von Thomas Matschoß
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Man nehme ein paar Evergreens, bastle eine fadenscheinige Erzählung drum herum und mache daraus ein Singspiel. Hat mit ABBA funktioniert, mit Queen, den Bee Gees, ja sogar mit Udo Jürgens. Da lassen sich die Partys von damals noch einmal nacherleben und durchklatschen. Was ist aber mit den Liedern, die wirklich etwas bedeutet haben? Die uns durch unsere dunklen Stunden gerettet, die sich uns tief in die Seele gebrannt haben. Die von Leid, von Sehnsucht, von Einsamkeit sangen, die, wenn sie uns heute eher zufällig begegnen, immer noch das Herz zerreißen oder trösten oder beides zugleich? Was ist mit Leonard Cohen?
Ein Mann in einem Astronautenanzug betritt ein Hotelzimmer. Was für ein großartiges Bild. Alles über Cohens Musik ist darin: Der Mann zu Gast in einer fremden, kalten Welt, die er nur mit Schutzanzug betreten kann, der wiederum keine Nähe zulässt. Der Mann zieht den Anzug aus und erlebt in diesem Zimmer eine Zeitreise durch seine Biografie. Zur rechten Zeit, zum rechten Thema erklingt eines der ewigen Lieder. Und sie rocken, sie swingen, erscheinen in einem neuen Zusammenhang berechtigt auch in neuem Klang. Dazwischen kurze Szenen, geschickt arrangiert, oft mit hübschen Pointen versehen. Autor und Regisseur Matschoß weiß was er tut. Mit sicherem Gespür inszeniert er seinen eigenen Text. Das durchweg gute Ensemble setzt noch einen drauf, spielt und singt lässig souverän. Allen voran Jörn Knebel, der Mann im Astronautenanzug, dessen Stimme von ganz tief (so klingt der echte Cohen) bis heiser rockig reicht. Intonationssicher und präsent als Figur wie als Entertainer.
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So vergehen die zwei Stunden kurzweilig. Die Mischung aus Humor und Sentiment ist ausgewogen, die musikalischen Arrangements grooven, das Publikum ist begeistert. Zum Schluss gibt’s dann noch mal einen echten Knalleffekt. Und dann ist auch das Thema präsent, das die Cohen-Welt immer umkreist: Der Astronaut stirbt. Nicht groß, nicht heroisch, nicht für die Liebe oder aus Verzweiflung. Es ist nur ein blöder Unfall. Nicht einmal tragisch. Ironisch, könnte man sagen. Und jetzt? Sitzen bleiben zwischen Lächeln und Tränchen.
Allein… wo ist dieses Gefühl hin, diese Schwere, diese Trauer, die Leere, die Dunkelheit – eben all das, was wir zwischen Pubertät und Adoleszenz eingesogen und für immer bewahrt haben? Was uns heute mitunter als sentimentaler Schauer anfällt? Dieses Gefühl existiert in dieser Show nur noch als Zitat, wenn etwa Marylin Monroe an Nancy erinnert, die in ihrem House of Mystery wartet. Und natürlich in der überwältigenden Version von "Halleluja", mit der das Publikum entlassen wird. Klatschen, trampeln, Zugabe. In Reggae Offbeats tänzeln wir aus dem Schauspielhaus.
Eine tolle Show, ja.
Schade…
Ein einsamer Astronaut in der Dunkelheit, der "Who by Fire" singt. Das wärs doch eigentlich gewesen
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Sven Lange - red / 30. November 2007 ID 00000003590
www.svenlange.com
Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielhaus.de
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