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nachDRUCK # 6

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Feuilleton


14. Januar 2007, Berlin, Akademie der Künste (Hanseatenweg 10)

Rolf Hochhuth:
HEIL HITLER!

(Uraufführung)


Jakob van Hoddis (1887-1942)



Hochhuth bringt van Hoddis auf die Bühne

Hätte ich gewusst, dass selbst zur zweiten Aufführung des Stücks HEIL HITLER! sein Verfasser an 'nem eigens zu dem Zwecke aufgestellten Buchverkaufsstand (Tatort: "alte" AdK mit ihrem tipptopp ausgestatteten Theaterstudio, einer so noch nicht gekannten und wohl viel zu selten öffentlich genutzten Spielstätte des intelektuellen Hochvereins der deutschen Kunst- und Künstlersparten) höchstpersönlich Autogramme gibt - ich hätte meine schöne schwarze Volk-und-Welt-Lizenzausgabe des auch in der DDR zu habenden Romanes EINE LIEBE IN DEUTSCHLAND von zu Hause mitgebracht, ihm in die Schreibhand wohl gedrückt und mir sein Signum sozusagen abgeholt; als ich das Buch zum ersten Male las, das ist Jahrzehnte her, musste ich weinen, und ich weiß bis heute nicht warum...
Jetzt ist er wieder mit 'nem Stück in mancher Munde, das er allerdings schon vor drei Jahren schrieb und das auch längst schon seine Uraufführung haben sollte; Weimar war da anvisiert. Doch - bockig wie er immer wieder ist - hatte der Hochhuth diese "rechtzeitig" verhindert, weil die Interpretation am DNT (tatsächlich: diese Inszenierung war fast fix und fertig, und die Karten wurden schon verkauft) für ihn nicht hinnehmbar, also nicht werktreu, nicht authentisch war. So ist er halt, der Rolf! Da kennt er überhaupt nix!! Und es war ihm schlechterdings dann scheißegal, ob nun das Stück gespielt wird oder nicht, Hauptsache "Recht behalten", basta!!!


Kam ein Wanderer des Weges, und sein Name ist Klaus Staeck:

Wie anders sollte es sich auch erklären, dass HEIL HITLER! jetzt, also in "seinem" Bau, der Brandenburg-Berlinischen Akademie der Künste und vermittels "seines" grafischen Engagements, der Ausgestaltung des Plakates - um die Plakatierung gab es ja noch eine Woche vor der nachgereichten Uraufführung jede Menge öffentlichen Stunk, auch weil die öffentlichen Plakatierer (und in diesem Falle: ein Privatbetrieb) bei dem verkarrikierten Hakenkreuz auf den Plakaten volksverhetzende Gefahr erwitterten - dann doch und endlich hie zu Potte kommt?! Das Zwielichtige bei der Angelegenheit - denn eine freie Schauspieltruppe um den Regisseur Lutz Blochberger nahm sich dieses Gesamtprojekts höchsteigentlicherseits nun an - ist bloß, dass zwar die AdK & Staeck ein Mit- und Zutun des gesamten Unterfangens kaumhin leugneten, dass allerdings auf ihrer hausinternen Homepage (www.adk.de) jedweder Hinweis auf HEIL HITLER! fehlt. Es sei nur festgestellt, mehr nicht.
Um Gottes Willen handelt es sich bei dem Stückneuling des Hochhuth diesmal (diesmal nur???) mitnichten um ein meisterliches Werk. Zu sehr ist doch die wehleidige Masche und der Dauertick seiner als "Dokumentarstücke" eins um das andere daher kommenden szenischen Entwürfe überholt. Ihnen gebricht es einfach an der dialogischen Geschmeidigkeit. Die Sätze sind sehr umständlich und viel zu lang. Zitate und Regieanweisungen werden zu seitenlangem Material. Die Schauspieler, die ihre gänzlich blutleer anmutenden Rollentexte sprechen müssen, gehen niemals "fehlerfrei" aus ihren Akten, permanent verhaspeln sie sich, und man leidet nun auch noch als Hörer mit dem uns (als Leser schon) aufs frevlerischste angetanen Wort. Also den Sprachaspekt bei der Bewertung Hochhuth'schen Theaters kann und soll und muss man völlig außer Acht lassen, will man seinem Verfertiger nicht allzu nahe treten.

Recherchiert - und dabei sind wir bei den Inhalten der Stücke resp. dieses neuen Stückes - wird von Hochhuth immer wieder außerordentlich brillant. Mit dieser Art von Technik hat er ja Geschichte, auch Theatergeschichte insgesamt, gemacht. Und es scheint müßig, alles das noch einmal aufzuzählen, was er also mittels dieses seines "Scharfgeschosses" so bewirkte; kann man überall ja recherchieren.
Also: Ich habe HEIL HITLER! vorher in der Buchfassung gelesen. Und ich wäre nicht in seine Uraufführung freiwillig gegangen (siehe Sprach-Einwand), hätte es nicht in diesem neuen Stück dann diese eine Szene hier gegeben:

Thomas Arnold spielt Jakob van Hoddis. (Hoddis, oder Hans Davidsohn wie er mit seinem bürgerlichen Namen hieß, war Jude. Er gilt, insbesondere mit seinem Gedicht "Weltende", bis heute als der Hauptvertreter des sogenannten Frühexpressionismus. An 'ner unheilbaren Nervenkrankheit leidend, musste er sich schon seit seiner Jugend therapieren lassen. Seine abwechselnden Unterbringungen in Anstalten und Heimen gipfelten letztendlich, 1942, mit der Aufgreifung durch die "Behörde" was zu seiner endgültigen Deportation in das Vernichtungslager Sobibor nach Polen führte.) /
Christian Weinberger & Anna Vonhof spielen Bulle 1 und Bulle 2, sie kommen Hoddis holen. // Nadja Petri spielt die Ärztin Dr. Heinemann, die Hoddis bis zu dieser Stunde vor den Nazis schützen und verbergen tat. /// Und Ludwig Blochberger spielt Till, der Hoddis' "Weltende" auswändig kann... //// Die Bullen zwingen Hoddis zur Entblößung des Geschlechts. Sie sehen, dass sein Schwanz beschnitten ist. Sie feixen über ihn, sie schlagen ihn, sie schleifen ihn mit sich. ///// Nach dieser Szene ist es totenstill. Ich höre hinter mir, wie jemand seinen Platz verlässt. Ich dreh' mich um: Ich sehe eine ältere Dame, die sich schweigend aus der Reihe, aus dem Saal begibt. Sie muss von dieser Zeit etwas für sie Erschreckendes zurückbehalten haben; mir schießt Wasser in die Augen . . .


Andre Sokolowski - red / 15. Januar 2007
ID 2914
www.andre-sokolowski.de


Rolf Hochhuth: HEIL HITLER!

Regie: Lutz Blochberger
Bühnenbild/Produktionsleitung: Stephan Besson
Kostüme: Nina Kroschinske

Personen und ihre Darsteller:
Till ... Ludwig Blochberger
Frau Luise Reineke ... Franziska Matthus
Willi Rotter ... Ingolf Müller-Beck
Paul Schlitz ... Uwe Fischer
Geheimrat Schläcker ... Rainer Kühn
Ännchen/Bulle 2 ... Anna Vonhof
Frau Dr. Hildegard Heinemann ... Nadja Petri
Quak/Bulle 1 ... Christian Weinberger
Jacob van Hoddis ... Thomas Arnold

Es spielte die Bolschewistische Kurkapelle
Musikalische Leitung: Wolfram Krabiell

Uraufführung am 13. Januar 2007 in der Berliner Akademie der Künste
(Hanseatenweg 10, 10557 Berlin)

Weitere Infos siehe auch: http://www.ensemble-blochberger.de





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