23. Mai 2010, Deutsche Staatsoper Berlin
L'ETOILE
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Magdalena Kožená, Jean Paul Fouchécourt und Giovanni Furlanetto (v. l. n. r.) in L ETOILE an der Deutschen Staatsoper Berlin - Foto (C) Monika Rittershaus
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L'ETOILE heißt zu deutsch "der Stern".
In dem gleichnamigen Öperchen des Erzschalk Emmanuel Chabrier (1841-1894) gibt es einen Astrologen an einem königlichen Hof. Der sagt die Sterne voraus. Und nach seiner Prophezeiung müsse der König einen Tag nach dem Tod von einem seiner Untertanen sterben; also hingen beider Schicksale zusammen. - Das Ganze hat natürlich eine etwas ausufernde Vorgeschichte:
Ouf (der König) liebt es hinzurichten, jährlich einmal, mindestens. Das wissen seine Untertanen, also huldigen und dienern sie ihm ohne Ende; keiner will ein Kandidat für eine dieser Hinrichtungen sein. / Ein einziger der Untertanen, etwas weiter weg vom König existierend als die andern Untertanen, tritt ganz unverschämter Weise auf den Plan; er heißt Lazuli, und er weiß von dieser ganzen Scheiße dieser alljährlichen Hinrichtungen nichts. // Ouf ist inkognito, Lazulli trifft ihn, ohrfeigt ihn... und wird als neuer Kandidat für eine diesjährige Hinrichtung verhaftet. /// Astrolog Siroco kommt mit seinen Sterndeutungen (s. o.) und hat furchtbar Angst; zudem ist er von Ouf per Testament "verpflichtet" worden, eine Viertelstunde nach dem Tod des Königs in die königliche Todesgrube nachzufolgen. Usw. usf.
[Es gibt noch ein paar Subgeschichten - aber Schluss; das Ganze aufzuschreiben nervt doch irgendwie.]
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Von dem Chabrier gibts grad mal ein Orchesterwerk (es heißt ESPANA), womit er landauf-landabwärts öffentlich geworden war und ist. Es wird landauf-landabwärts bis zum Abwinken herabgenudelt; nicht nur deutsche Hausfrauen rufen mitunter bei den Radiosendern mit den Wunschkonzerten an und wollen, dass man Chabriers ESPANA für sie spielt.
Chabrier hat eine tolle Biografie. Achtjährig komponierte er schon ein paar Tänze, und obgleich er nie - Jahrzehnte später auch nicht - dahingehend irgendwie geschult gewesen wäre. Er war ein begnadeter Klavierschüler, und er spielte danachhin begnadet selbst Klavier... Es geht die Märe, dass er sich die Partitur von Wagners TANNHÄUSER abschrieb, um so zum Noten-Schreiben (Handwerk, nichts als Handwerk) zu gelangen; und nachdem er Wagners TRISTAN erstmals hörte/sah, ließ er seinen Verleger wissen: "Nachdem ich die Nase in die Werke dieses Giganten gesteckt habe, wäre es verrückt oder naiv, noch an das zu glauben, was man selbst geschrieben hat." Sehr hübsch, oder?
Damit hätten wir, ungefähr, das künstlerische Leben des Chabrier - der sich sein Geld als Innenministeriumsangestellter in Paris verdiente - anskizziert. Vielleicht noch zu erwähnen, dass er Hinz und Kunz persönlich kannte; es gab keinen Impressionisten zu der Zeit, der nichts zum Thema Chabrier zu sagen wusste, Maler, Dichter, Komponisten... alle waren sie begeistert von dem rätselhaften Urtalent, und alle liebten ihn und seinen schalkigen Humor.
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Sehr unappetitlich anzuschauen: ein Gepfählter (aus der Dracula-Zeit). Aber auch ums Pfählen, wenngleich in sehr humoristischer Manier, geht es in L ETOILE von Emmanuel Chabrier; nämlich das Pfählen ist die eigentliche Hauptmethode, worauf sich der König in dem Stückchen kapriziert, wenn er dann alle Jahre wieder eine Hinrichtung in seinem Ländchen zelebrieren lässt...
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Sir Simon Rattle hatte jetzt - zwei Jahre nach der schönen Erstbegegnung mit der Staatskapelle Berlin (PELLEAS ET MELISANDE) - Lust auf Chabrier und dessen schönes Öperchen mit Namen L'ETOILE.
Die Deutsche Staatsoper Berlin beauftragte Dale Duesing (Inszenierung) sowie Boris Kdlicka & Kaspar Glarner (Ausstattung) mit dieser neuen Produktion, die gleichsam dann die letzte vor der langen Umbauphase ist; sie wird vorerst allerdings nicht im Schillertheater zu erleben sein.
Giovanni Furlanetto (Siroco), Magdalena Kozená (Lazuli), Jean-Paul Fouchécourt (Ouf) sind neben Juanita Lascarro, Stella Doufexis, Florian Hoffmann oder Douglas Nasrawi schier idealbesetzt.
Der Chor der Deutschen Staatsoper Berlin singt/spielt, auf dass es eine Freude ist!
Und Rattle (überflüssig zu erwähnen) haucht mit seinem duftend-leichten Atem einen insgesamten Zauber in den Graben, dass die Staatskapelle gar nicht anders kann, als duftig-leicht zu musizieren; zwischen beiden schwingt etwas - ich würde es verführende Erotik nennen...
Nach dem kurzweiligen Abend hüpft man nur so aus dem schönen alten (noch "maroden") Bau.
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Massenszene aus L ETOILE an der Deutschen Staatsoper Berlin - Foto (C) Monika Rittershaus
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Andre Sokolowski - 24. Mai 2010 ID 00000004641
L'ÉTOILE von Chabrier (Deutsche Staatsoper Berlin, 23.05.2010)
Musikalische Leitung: Sir Simon Rattle
Inszenierung: Dale Duesing
Bühnenbild: Boris Kudlička
Kostüme: Kaspar Glarner
Besetzung:
König Ouf I. ... Jean Paul Fouchécourt
Lazuli ... Magdalena Kožená
Prinzessin Laoula ... Juanita Lascarro
Siroco ... Giovanni Furlanetto
Fürst Herisson de Porc-Epic ... Douglas Nasrawi
Aloès ... Stella Doufexis
Tapioca ... Florian Hoffmann
Chor der Deutschen Staatsoper Berlin
(Choreinstudierung: Eberhard Friedrich)
Staatskapelle Berlin
Premiere war am 16. Mai 2010
Weitere Vorstellungen: 27. und 30. Mai 2010
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de
http://www.andre-sokolowski.de
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