Liebesdämonien
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In AMISTAD von Steven Spielberg (1997) war auf das Schockierendste zu sehen, was es hieß, als schwarzer Sklave für den weißen Sklavenhalter im Besitz zu sein - Foto © Collection AlloCiné / www.collectionchristophel.fr
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LOVE AND OTHER DEMONS und DAS HEXENLIED sind ähnlich, von den Stückinhalten her. Auch "klingen" sie so ähnlich (demons / Hexen).
Ihre Schöpfer - Peter Eötvös / Max von Schillings - lassen sich dann freilich nicht so ohne Weiteres vergleichen, ihre Viten sind zu unterschiedlich. Daher "trennen" wir sie jetzt - - von mir aus auch in Gut und Böse:
Peter Eötvös (geb. 1944) war ein frühreifer Kompositionsschüler vom alten Kodály - so ungefähr liest sich's auf Wikipedia. Seiner Zwangseinziehung zur Armee - denn auch in Ungarn gab es, wie in allen anderen Warschauer Paktstaaten, die allgemeine Wehrpflicht - kam er quietschvergnügt durch ein vom ungarischen Staat gestattetes Stipendium für ein Dirigierstudium in Köln zuvor; da war er 21. Dieses führte ihn nun auch nach Stockhausen am Rhein (um es mal so zu sagen); Stockhausen war zu der Zeit die Leitfigur, auch weltweit, für die zeitgenössische Musik an sich. Ja und in Köln gab es den WDR, und dieser stellte (nicht nur Stockhausen) sein legendäres Studio für elektronische Musik zur Verfügung... Und Peter Eötvös blieb! Zunächst kopierte er die kompliziert gesetzten Noten für den Guru, und dann nabelte er sich bestimmt vom Guru ab; nichts desto Trotz studierte Eötvös bahnbrechende Uraufführungen (des Gurus) ein, zwei Tage aus dem LICHT-Zyklus, als Beispiel nur, in London oder Mailand. Also gilt der Eötvös auch als international gefragter und geschätzter Dirigent. / Die Kölner Oper hatte sich jetzt eines seiner Bühnenwerke angenommen, nur paar Wochen nach der deutschen Erstaufführung (Chemnitz); LOVE AND OTHER DEMONS fußt auf Gabriel García Márquez' gleichnamigem Spätroman von 1994.
Max von Schillings (1868-1933) kann mit Fug und Recht als eine der übelsten Gestalten im "deutschen Geistes- und Kulturleben" bezeichnet werden. Nicht nur dass er seiner Zeit die eigne Schwiegermutter in die Klapse bringen ließ - der Grund war materiell; sie hätte nämlich einen anderen als ihn zu ihrem Vermögensverwalter bestellt - , war er von ganzem Herzen ein erklärter und agierender Antisemit. Kurz vor der Machtergreifung durch die Nazis wurde er - ein Duzfreund Richard Strauss' - zum Präsidenten der Preußischen Akademie der Künste berufen; Schreker oder Schönberg ließ er da, noch ehe eigentlich die mörderische Hatz begonnen hatte, diensteifrig und vorwitzig von ihren Posten exmittieren... "dass für Juden die Tage in der Akademie gezählt seien", wird sein mieser Kleingeist durch das DSO-Programmheft (zur "Versuchung / 5") wörtlich zitiert. Er hatte es sowohl als Dirigent wie Komponist zu keinem nachdrücklichen Ruhm gebracht, da fehlte es ihm wohl an Drive. Seine Musik mieft sehr nach Wagner, und obgleich er dessen charismatische Entäußerungen nicht einmal im Ansatz "nachzumachen" fähig war... / Das Deutsche Symphonie Orchester hatte jetzt die kühn-klabautrige Idee, eines der Schillings-Werke von zwei anderen (nämlich von Schreker und von Schönberg) in den Würgegriff zu nehmen. Denn DAS HEXENLIED vermag wahrscheinlich als das einzige der Werke, das im Oevre des von Schillings streichholzkuppenhaft daherblitzt, eine Art von Nachseinswirkung darzustellen; es basiert auf Ernst von Wildenbruchs Ballade mit dem gleichen Namen.
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Uraufführungsplakat: DAS HEXENLIED von Max von Schillings
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Größter der Dämonen, den es gibt - befürchte ich als Atheist - dürfte die Liebe sein. Ja, packt sie dich am Schwanz, am Herzen, am Gehirn = bist du so gut wie gottverloren. Darum geht es auch in beiden Stücken.
LOVE AND OTHER DEMONS spielt zur Sklavenhalterzeit - und also gibt es Sklavenhalter, Sklaven. [Einen Eindruck, was das in realo zu bedeuten hatte, hinterließ der Sklavenschocker AMISTAD von Steven Spielberg, 1997.] / Und in einem dieser Sklavenhalter-Haushalte wächst nun ein 12jähriges Mädchen auf. Aus reinster Animosität passt's nicht zu ihrer Stiefmutter; aber um diese geht es auch, zumindest bei dem Eötvös, nicht. Vielmehr: Sie lebt in einer Fremdkultur, weil sie, anstatt im Sklavenhalter-Haushalt aufwachsen zu können, bei den Sklaven haust und ihre Sprache, die die Sklavenhalter halt nicht kennen, spricht... Sie wird von einem tollwütigen Hund gebissen, und sie macht sich gellend lustig über diesen Biss. Das kriegt die Kirche - allerschlechteste Vermittlerin zwischen den Sklaven und den Sklavenhaltern - mit und... langer Rede kurzer Sinn: Irgendwer zinkt das Mädchen an, und der Verdacht geht in die Richtung, dass es gar besessen ist; natürlich schreit das umgehend nach einer Teufelsaustreibung. // Bis der zu diesem Zweck von seinem bischöflichen Ziehvater bestellte Exorzist das Mädchen erstmals sieht und sich in es total verliebt... /// Viel Handlungen passieren zwischendurch. Am Ende - die Verliebten liebten sich - schlägt dann die böse Umwelt zu; der Liebende wird von seiner Geliebten weggezerrt, die Liebende stirbt an der Trennung vom Geliebten. //// Anna Palimina & Miljenko Turk verkörpern in der schönen Kölner Inszenierung dieses Liebespaar. Dalia Schaechter ist die Mutter Oberin. Und René Kollo spielt den Vater des geliebten und verliebten 12jährigen Mädchens. ///// Das Gürzenich-Orchester musiziert unter dem Stab von Markus Stenz.
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René Kollo spielt den Vater eines 12jährigen Mädchens in der Oper LOVE AND OTHER DEMONS von Eötvös. Hier sehen wir ihn, wie er mit den Kleidern seiner heißgebliebten und verstorbnen ersten Frau herumhantiert. Er scheint also sehr unglücklich zu sein, weswegen er sich auch (vielleicht) nicht um sein eigen Fleisch und Blut, nämlich das 12jährige Mädchen, innigst kümmern tat. Und so geriet es halt in einen anderen Kulturkreis, wo es sich viel besser aufgehoben fühlte als bei seinem alten Vater... Foto (C) Paul Leclaire
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DAS HEXENLIED meint's nicht viel anders. Ein alternder Mönch "gesteht" - gewiss aus reinen Stücken - seine frühe Liebe zu einem der Hexerei bezichtigten Mädchen; das muss Jahrzehnte her gewesen sein. Da war er, kurz vor seiner (ihrer) Hinrichtung, zwecks ihrer letzten Ölung oder so bestellt. Ging in das Kerkerloch und traf sie also an. Sie schaute zu ihm auf und stellte fest, dass er - wie das wohl kam - über sie weinte. Weil er irgendwie von ihr/ihrer Geschichte so gerührt gewesen war. Auch klammerte sie sich mit ihren Armen ganz abrupt um seine Fußgelenke. Ersterlebtes Körperliches zwischen Mann und Frau für ihn: den "unschuldigen" Mönch... / Plötzlich bestand eine Gelegenheit, dass er mit ihr aus diesem Kerkerloch dann hätte fliehen können, also vor der Hinrichtung auf dem Schafott; dann wiederum war die Gelegenheit schlagartig irgendwie vorbei. // Er ließ sie unten, und er floh vor ihr hinauf. /// Dann brannte sie wie eine Fackel, und er zeigte sich, schockiert zwar, aber immerhin verzückt... //// Das Alles fiel dem Mönch am Ende seiner frommen Tage in dem Kloster, wo er seit Jahrzehnten weilte, ein; die Lauscher, die das hörten, waren schon bestürzt - dann siecht er freundlich-friedlich hin, und - FriedeFreudeEierkuchen - wird von dem Prior oder so ähnlich "freigesprochen" und gesegnet... ///// Welches Hohefest für einen Schauspieler, der dieses Melodram (kitschigster Text!!) aus einer Art Musikbrei rauszuschälen resp. vorzuführen in der Lage wäre: Klaus Maria Brandauer gelang das leicht, mit weisem Witz - und nicht nur Ingo Metzmacher schaute ihm dabei offnen Mundes zu!!
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Max von Schillings (1868-1933)
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Andre Sokolowski - 20. Mai 2010 ID 00000004632
Peter Eötvös: LOVE AND OTHER DEMONS (Oper Köln, 16.05.2010)
Musikalische Leitung: Markus Stenz
Inszenierung: Silviu Purcarete
Bühne und Kostüme: Helmut Stürmer
Besetzung:
Sierva Maria ... Anna Palimina
Don Ygnazio ... René Kollo
Dominga de Adviento ... Jovita Vaskeviciute
Father Caetano Delaura ... Miljenko Turk
Don Toribio ... Dennis Wilgenhof
Josefa Miranda ... Dalia Schaechter
Martina Laborde ... Adriana Bastidas Gamboa
Abrenuncio ... John Heuzenroeder
Chor der Oper Köln
(Choreinstudierung: Andrew Ollivant)
Gürzenich-Orchester
http://www.oper-koeln.com
Max von Schillings: DAS HEXENLIED (DSO, 18.05.2010)
Franz Schreker: VORSPIEL ZU EINEM DRAMA
Arnold Schönberg: PELLEAS UND MELISANDE
Klaus Maria Brandauer, Sprecher
Deutsches Symphonie Orchester Berlin
Dirigent: Ingo Metzmacher
http://www.dso-berlin.de
Weitere Infos siehe auch:
http://www.andre-sokolowski.de
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