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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Ejakulierte

Banknoten


Jan Dusseljee als Jim weiß sich vor lauter Banknoten nicht mehr zu retten - Foto (C) Monika Rittershaus


Als Steilvorlage hätte sie womöglich dienen können, wäre das Erinnerungsvermögen von Homoki & Petrenko dahingehend fit, sich auf die vor fast 30 Jahren hier an diesem Hause stattgefunden habende Parade-Inszenierung von Joachim Herz, dem Ehrenmitglied der KO, rückblickend zu besinnen resp. diese sozusagen zu "beherzen" - konnte sie natürlich nicht; die beiden (viel zu jung und viel zu weit von hier aus "groß geworden") hatten keine Ahnung; nein, sie kannten sie ja überhaupt nicht. Gott sei Dank! Denn: Hätten sie sie je gesehen und erlebt - dem Herz gelang mit ihr eine der allerbesten Arbeiten, die er dann jemals machte (zeitlich schloss sie, beinah nahtlos, an den legendären Ring in Leipzig an, und Herz wurde nie müde, Mahagonny als den fünften Teil der Wagner'schen Tetralogie sehr richtig und sehr konsequent, für sich und seine Theorien, zu bezeichnen) - , wäre ein ganz anderes, ja ein sehr ungewollt beeinflusstes Stück Arbeit dabei rausgekommen als wie letzten Sonntagabend in der Behrenstraße zu besichtigen/zu hören war.



Auf nach Mahagonny! Martin Winkler, Thomas Ebenstein, Kor-Jan Dusseljee, Carsten Sabrowski (v. l. n. r.) haben es wohl geschafft? - Foto (C) Monika Rittershaus


Also.
Um es vorwegzunehmen: Von der Inszenierung her dürfte sich das Produkt bestimmt nicht als historisch oder unvergessbar in die Hinterstübchen der Erleber festsetzen, weil: Es gibt nicht sehr viel zu sehen. Bis zur Pause ist Homokis Masche, die man ziemlich schnell durchschaut zu haben meint, bereits erschöpft (Brechts oberlehrerhafte Art, Regieanweisungen papierig zu befehlen, wurde durch ironisch-müdmachende Einsprengsel der gleichlautenden Schreibmaschinenletter, die dann immer wieder mit der vorhanghaft gemeinten Brecht-Gardine spielten, persifliert). Auch später dann, und nach der Pause, wo das Leben im Utopia-Mahagonny richtig aufzuspulen droht, bekommt der Zuschauer gar nicht viel mehr als literweise Banknoten zu sehen... Banknoten, welche aus prall gefüllten Säcken schießen, welche justament vom Himmel auf die Erde schweben, welche gar aus allen Körperöffnungen der ungehemmt ihrem Vergnügen nachgehenden Stadtbewohner spleißen - nein: ejakulieren!! Geld und Geld und Geld und Geld...

Die Macher bringen Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny aktueller wie's nicht sein könnte auf ihren fantasie- und trostlos machenden gesamtgesellschaftlichen Depressionspunkt; was soll werden? werden alle dann so enden wie Jim Mahoney, der seine (Lebens-)Lust und Rechnungen mit einem Mal nicht mehr bezahlen kann und dem sogar die Todesstrafe hierfür droht?? wie weit beeinflusst alltägliches Konsumdünken die Gemüter und die Herzen schlechterdings??? So Fragen, die am Ende völlig sinnlos sind. Beweis auch, wie rasant und folgenlos ein Werk wie dieses heute - hier: in diesem Land, dieser Gesellschaftsform, diesem System schlechthin - verpuffigt hallt.

Dennoch ist diese neue Produktion als einmalig und einprägsam zu feiern - vom rein Musikalischen gesehen! Ja, wann hat man je erlebt, dass eine Weill-Musik (sie klingt ja überhaupt nicht schön, wirkt primitiv) an einer ganz bestimmten Stelle beispielsweise wie der Sturmbeginn aus der Walküre klingt? Dann diese beispiellose wie detailversessen herkommende Rausarbeitung von diversen Instrumenten oder Instrumentengruppen! Alles hört sich völlig anders an als wie man's je bisher gehört zu haben glaubte - anders auch, und ausgerechnet dann, im Sinne "schön" und "edel", wie gesagt. Es ist ein Hörereignis unbeschreiblich neuer Qualität!! Solisten, Chor, Orchester dieses Hauses haben - wie schon oft und auch von anderen bemerkt - in allerletzter Zeit Standards der absoluten Weltspitze gesetzt. Kirill Petrenko, den ein internationales Auditorium zunehmend als einen ihrer Lieblinge und Alles-/Großkönner für sich entdeckt, beweist mit seiner individualen Sicht auf Weill & Brecht, dass beiden, auch auf Jahre und Jahrzehnte hin, noch viel viel Unerkanntgebliebenes abzugewinnen sein wird.
Ziemlich uneinordbar, merkwürdig das Alles.


Andre Sokolowski - 25. September 2006
ID 2686
http://www.andre-sokolowski.de


AUFSTIEG UND FALL DER STADT MAHAGONNY (Komische Oper Berlin, 24.09.2006)
Musikalische Leitung: Kirill Petrenko
Inszenierung: Andreas Homoki
Bühnenbild: Hartmut Meyer
Kostüme: Mechthild Seipel
Video: fettFilm
Besetzung:
Witwe Begbick ... Christiane Oertel
Fatty ... Christoph Späth
Dreieinigkeitsmoses ... Jens Larsen
Jenny ... Tatjana Gazdik
Jim ... Kor-Jan Dusseljee
Jakob ... Thomas Ebenstein
Bill ... Martin Winkler
Joe ... Carsten Sabrowski
Toby ... Peter Renz
Chorsolisten der Komischen Oper Berlin
(Choreinstudierung: Robert Heimann)
Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere war am 24. September 2006
Weitere Termine: 27. 9., 1./6./8./10./29. 10., 4./6. 11. und 18./29. 12. 2006

Weitere Infos siehe auch: http://www.komische-oper-berlin.de






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