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Im Ballroom



Pygmalion am DT Berlin | Foto (C) Jasmin Schuller

Bewertung:    



Von der Choreografin, Tänzerin und Lehrdozentin Angélique Mimi, die für das Pygmalion-Leporello des Deutschen Theaters Berlin von Dramaturg Christopher-Fares Köhler interviewt wurde, erfahre ich Näheres zur sog. Ballroom-Szene:


"Während beim Pygmalion-Text die verbale Sprache mit der Intention verwendet wird, gesellschaftliche Klassen aufzuzeigen und zu überwinden, wird in der Ballroom-Kultur der Laufsteg als zentrales Element dafür genutzt. Die Auseinandersetzung, mit der Sprache, dem Habitus und den Codes einer Klasse, von der man sonst ausgeschlossen ist, wird hier gleichgesetzt mit dem Training und der Performance auf dem Laufsteg. Das Auftreten auf dem Runway des Balls ermöglicht den Teilnehmenden eine Parallelwelt zu erschaffen, in der sie die Anerkennung und Zugehörigkeit erfahren können, die ihnen in der Gesellschaft sonst verwehrt bleibt."


Und so hatten sich demnach Bastian Kraft (Regie), Peter Baur (Bühne) und Inga Timm (Kostüme) für eine durch und durch queere und v.a. unterhaltende szenische Version ihrer kollektiven Bearbeitung des 1913 am Wiener Burgtheater uraufgeführten Pygmalion-Schauspiels von George Bernard Shaw (1856-1950) entschlossen, die von Björn SC Deigner, Jonas Link und Thomas Langguth mit hektischen Videos, fetziger Musik und grellem Licht treffsicher angereichert wurde.

Sieht alles toll aus, v.a. was den überüppigen Showwert der hier obsessiv zur Schau gestellten Haute Couture betrifft!

*

Das Shaw-Stück hatte ich bisher noch nie gesehen geschweige denn gelesen, allein das Frederick-Loewe-Musical My Fair Lady, dessen Libretto sich auf Shaws Pygmalion bezieht, und insbesondere dessen grandiose Verfilmung (mit Audrey Hepburn als Eliza Doolittle), war/ waren mir bis da mehr oder weniger geläufig.

Gottlob hörte ich jetzt in den Kammerspielen des DT "Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen" usw. nicht.

Vielmehr kam mir - außer "Originalpassagen" aus dem Shaw-Stück - zig Privates aus den Lebensläufen der fünf schauspielernden Akteurinnen und Akteure zu Ohren; das entspricht einer inzwischen sattsam praktizierten Masche des Regietheaters, um die Spielflüsse authentisch aufzulockern also zu bereichern; ja, warum auch nicht.

Rein vordergründig ging und geht es allerdings um das hier:


"Eliza Doolittle steht ganz unten in der gesellschaftlichen Rangordnung: Ohne Geld, Bildung und ohne sprachliche Eloquenz, dafür aber mit aller Schlagfertigkeit des rauen Straßenjargons kämpft sie sich durch, indem sie Blumen an Passant:innen verkauft. Eines regnerischen Abends jedoch trifft sie auf den Sprachforscher Henry Higgins, der gleichermaßen genervt wie fasziniert von Elizas Ausdrucksweise und ihrem Verhalten scheint. Eliza hingegen sieht in Higgins ihre Chance auf ein neues Leben und bittet ihn um Sprechunterricht. Er schließt mit seinem Kollegen Colonel Pickering eine Wette ab: Higgins wird Eliza innerhalb von drei Monaten in die gehobene Gesellschaft der englischen Upper-Class einführen." (Quelle: deutschestheater.de)


Julia Gräfner spielt Professor Higgins, Mery Dorcas Otieno dessen "Fachkollegen" Colonel Pickering, Jens Koch mimt einerseits die Hausputze Mrs. Pearce und andrerseits Mrs. Eynsford-Hill, Daria von Loewenich wird sowohl die Rolle des Müllkutschers (Elizas Vater) als auch die des Freddys (Mrs. Eynsfords Sohn) zugewiesen, und Caner Sunar agiert als Higgins mondäne aber um so strengere Mutter. Und alle fünf treten dann sowieso, und unterschiedlich oft, als die von Higgins vorübergehend zur Herzogin hochstilisierte und eigentliche Unterschichtlerin Eliza Doolittle auf. Dem Affen Zucker geben! das war die Devise.

Schöne, kurzweilige Vorstellung - sowas für zwischendurch.



Pygmalion am DT Berlin | Foto (C) Jasmin Schuller

Andre Sokolowski - 23. November 2024
ID 15023
PYGMALION (Kammerspiele, 22.11.2024)
von Georg Bernard Shaw in einer Bearbeitung von Bastian Kraft & Ensemble

Regie: Bastian Kraft
Bühne: Peter Baur
Kostüme: Inga Timm
Musik: Björn SC Deigner
Video: Jonas Link
Coaching/ Choreografie: Angélique Mimi (Iconic House of Prodigy)
Licht: Thomas Langguth
Dramaturgie: Christopher-Fares Köhler
Mit: Julia Gräfner, Jens Koch, Daria von Loewenich, Mercy Dorcas Otieno und Caner Sunar
Premiere am Deutschen Theater Berlin: 27. April 2024
Weiterer Termin: 17.12.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de/


https://www.andre-sokolowski.de

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