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Hamlet in Dessau

Am Anhaltischen Theater inszenierte Philipp Preuss Shakespeares Tragödienklassiker als gedoppelten Geister-Loop

Bewertung:    



Neue und ambitionierte Deutungen des Shakespeare-Klassikers Hamlet erwartet man nicht unbedingt in Sachsen-Anhalt. Eine Reise nach Dessau, wo gerade der Leipziger Hausregisseur Philipp Preuss seine Inszenierung der berühmten Tragödie zeigt, lohnt sich aber in jedem Fall. Gleich zwei Exemplare des dänischen Zauder-Prinzen sitzen hier schon beim Einlass am Ende einer Tafel vor dem Eisernen Vorhang. Regisseur Philipp Preuss arbeitete schon häufig mit Vorhängen aus Stoff und Gaze, auf die er Live-Kamerabilder projizieren ließ. Auch hier ist das der Fall. Während die beiden Schauspieler Felix Axel Preißler (der bereits in Leipzig mehrfach mit Preuss zusammengearbeitet hat) und Niklas Herzberg vor dem Vorhang zunächst noch abwesend vor sich hin brabbeln, läuft dahinter eine ausgelassene Feier. Die Hochzeit und Krönung des neuen Königs Claudius (Stephan Korves) und seiner frisch verwitweten Schwägerin Gertrud (Cara-Maria Nagler), Mutter Hamlets. Als der Eiserne mit typischem Klingeln hochgeht, ist die überlange, weit in die Tiefe der Bühne des Anhaltischen Theaters Dessau ragende Tafel (Ausstattung: Ramallah Sara Aubrecht) zu sehen. Das Publikum sitzt im hohen Rang des Theatersaals, um einen besseren Blick auf die Szenerie zu haben.

„Oder..., oder...“ ist hier das Motto, die kleine Konjunktion aus dem großen Hamlet-Monolog „Sein oder Nichtsein“. Der Möglichkeiten sind da viele; sich zu entscheiden, fällt dem Prinzen schwer. Oder ist doch schon alles vorgegeben und wiederholt sich nur bis ins Unendliche? Die Frage kann man sich hier auch stellen, wie die zwiegespaltene Hamletfigur es unentwegt tut. Auch die anderen Figuren aus Shakespeares Stück wiederholen an diesem Abend den Monolog des Öfteren. So werden viele der bekannten Hamlet-Textzeilen auffallend oft memoriert. Preuss hat die recht moderne Übersetzung von Marius von Mayenburg zur legendären Schaubühnen-Inszenierung von Thomas Ostermeier mit Lars Eidinger in der Titelrolle gewählt. Es geht ihm um die Wiederholung von Ritualen der Macht. Dem Geist von Hamlets Vater, getötet durch dessen Bruder Claudius, gibt hier das gesamte Ensemble am Tisch die Stimme. Sie sind alle Geister der Vergangenheit, die sich in eingeübten Ritualen bewegen. Ein Kreislauf, bei dem Preuss nach zwei Stunden die Inszenierung einfach wieder von vorn beginnen lässt, ohne dass das Publikum weiß, wann das Ende des Abends erreicht sein wird.

Die Türen öffnen sich, doch man kommt nicht hinaus, schaut gebannt auf die sich von neuem entwickelnde Geschichte. Die beiden Hamlets verzetteln sich in ihrem Glauben, einer Verschwörung auf die Spur gekommen zu sein. Gelöst wird dieser Konflikt bei Shakespeare durch den Tod aller Beteiligten und der Inthronisierung des jungen Norweger-Königs Fortinbras. Für den Regisseur ist das ein Gleichnis für die Wiederholung von Geschichte. Ein gespenstischer Loop. Das könnte momentan aktueller nicht sein. In der Inszenierung durchlaufen die Figuren vorhersehbar die bekannten Szenen wie Claudius oder sein sich in Wortschleifen windender Berater Polonius (Boris Malré). Sein Sohn Laertes (Roman Weltzien) redet zumeist Englisch, obwohl er nach Frankreich geht. „To be ore not to be“, na ja. Ansonsten gibt er wie immer seiner Schwester Ophelia gute Ratschläge. Cara-Maria Nagler muss auch gleich noch die Rolle der Gertrud übernehmen. Aber als Ophelia hat sie ihren schönsten Auftritt auf der Tafel. Sie darf hier mal Hamlet die Leviten lesen. „Die Unverschämtheit der arroganten Männer.“ Von wegen „Schwäche, dein Name ist Frau.“ So wechseln auch die Texte im Gespräch mit Hamlet, bei dem Ophelia ihn ins Kloster oder ins Bordell schickt.

Auch Claudius hat seinen Auftritt als böser Stepptänzer auf der Tafel, in der Hand einen Glitzerschädel, in dem eine Livekamera steckt und sein Gesicht groß auf den Vorhang überträgt. Der Spruch vom Wahnsinn bei Großen, der nicht unbeobachtet bleiben darf, lässt einen da erschauern. Sebastian Graf und Roman Weltzien geben noch das Paar Rosenkranz und Güldenstern, die Mausefallen-Schauspieler und Totengräber, deren etwas prolliger Dialog über den Weg eines Königs durch den Magen eines Bettlers oder wer fester als Maurer, Schiffsbaumeister oder Zimmermann baut, den vorläufigen Endpunkt der Dessauer Hamletschleife beschreibt. Danach wird das Tischtuch hochgezogen und schließt sich wieder der Eiserne Vorhang. „Das ist nicht und wird niemals gut.“ heißt eine der düsteren Erkenntnisse dieses Abends, demzufolge das auch nicht das Ende sein kann.



Hamlet am Anhaltischen Theater Dessau | Foto (C) Claudia Heysel

Stefan Bock - 6. April 2022
ID 13564
HAMLET (Anhaltisches Theater Dessau, 03.04.2022)
Inszenierung: Philipp Preuss
Bühne: Ramallah Sara Aubrecht
Kostüme: Eva Karobath
Video: Konny Keller
Musik: Kornelius Heidebrecht
Dramaturgie: Alexander Kohlmann
Mit: Cara-Maria Nagler, Sebastian Graf, Niklas Herzberg, Stephan Korves, Boris Malré, Felix Axel Preißle und Roman Weltzien
Premiere war am 25. März 2022.
Weitere Termine: 23.04. / 08., 28.05.2022


Weitere Infos siehe auch: https://anhaltisches-theater.de/


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