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Es war einmal eine DDR

GOOD BYE, LENIN! (nach dem gleichnamigen Film von Wolfgang Becker) an der Würtembergischen Landesbühne Esslingen

Bewertung:    



Wer nur die überregionalen Theaterkritiken liest, könnte einen falschen Eindruck gewinnen vom tatsächlichen Stand des deutschsprachigen Theaters. Es besteht nicht nur und nicht einmal vorwiegend aus Volksbühne, Schaubühne, BE, Deutschem Schauspielhaus, Thalia Theater, Kammerspielen, Residenztheater, Burgtheater und Schauspielhaus Zürich. Die vielgerühmte Theaterlandschaft, um die Deutschland, Österreich und die Schweiz in Westeuropa beneidet werden, verdankt sich den zahllosen Bühnen in der sogenannten Provinz, einem Angebot, das es Zuschauern fast überall ermöglicht, eine Vorstellung zu besuchen und danach noch heimzukehren.
Die Württembergische Landesbühne Esslingen, kurz WLB, gehört zu jenen Theatern, deren Ensembles bei an Selbstausbeutung grenzenden niedrigen Gehältern unter Einsatz aller physischen und psychischen Kräfte und mit Leidenschaft nicht nur für dramatische Versorgung am Heimatsitz, einer Stadt mit immerhin mehr als 90.000 Einwohnern, sondern auch an diversen Gastspielorten im Umland sorgen. Und es gibt keinen Grund, gönnerhaft auf solche Theater herabzublicken. Friedel Schirmer, der vor siebeneinhalb Jahren nach mehreren Zwischenstationen, auch an Alpha-Bühnen, hierher zurückgekehrt ist, macht ein hervorragendes Programm, dessen Konzept auch von der Konkurrenz bewundernd anerkannt wird.

*

Beispielhaft für die unorthodoxe Spielplangestaltung der WLB ist eine Bühnenbearbeitung von Wofgang Beckers Film Good bye, Lenin! durch den Drehbuchautor Bernd Lichtenberg. Die intelligente Adaption ersetzt den Kinorealismus durch eine gemäßigte Stilisierung. Ihr entspricht auch das Bühnenbild von Philipp Kiefer. Vor einem blauen Himmel mit Schäfchenwolken und Türen für die Auftritte sieht man mehrstöckige Miniplattenbauten, die, gekippt, zu Sitzgelegenheiten oder zu Pulten werden. Ein Mann im T-Shirt, auf dem das Wort „Crew“ steht, spielt ein Telefon, einen Kühlschrank und mittels einer langen Stange den Hubschrauber, an dem die Lenin-Statue hängt. Wird sie wirklich nur zur Sanierung oder endgültig, für alle Zeiten, abtransportiert?

Der Regisseur Markus Bartl hält die Darsteller*innen zu teilweise choreographierter Bewegung an, immer auch jene, die nicht gerade am Geschehen beteiligt sind oder sich im Hintergrund positionieren, während an der Rampe erzählt wird, was nicht gezeigt werden kann. Die Story von Christiane, die aus einem achtmonatigen Koma erwacht und die ihre Familie vor der Aufregung bewahren möchte, die ihr der Arzt verboten hat, indem sie ihr das inzwischen erfolgte Ende der vertrauten DDR-Wirklichkeit verheimlicht, erteilt einer Generation, für die die Deutsche Demokratische Republik nach mehr als 30 Jahren so weit entfernt ist wie das Römische Imperium, Geschichtsunterricht. Sie beschönigt nicht, aber sie belehrt darüber, dass die Realität des anderen Deutschland nicht nur ein Unrechtsstaat war, als den man sie im Westen zur Veredelung des eigenen Systems verfestigt, sondern für viele Menschen ein Stück eines Lebens, an das sie sich gewöhnt hatten und an das sie auch angenehme Erinnerungen knüpfen. Lichtenberg zeichnet sie mit leiser Ironie, aber niemals denunziatorisch. Dem unbegründeten Überlegenheitsgefühl der historischen Sieger gibt er kein Futter. Esslingen hat keinen Lenin. Dummköpfe und Dogmatiker hat es auch. Man muss nicht mit Honecker einschlafen und mit Kohl aufwachen, um Illusionen zu erliegen.




Good bye, Lenin! an der Würtemberischen Landesbühne Esslingen
Foto (C) Patrick Pfeiffer

Thomas Rothschild – 3. März 2022 (2)
ID 13497
GOOD BYE, LENIN! (Würtembergische Landesbühne Esslingen, 02.03.2022)
nach dem Film von Wolfgang Becker

Regie: Markus Bartl
Bühne und Kostüme: Philipp Kiefer
Mit: Sabine Bräuning, Mia Cesljarevic, Ulf Deutscher, Sabine Christiane Dotzer, Bettina Franke, Vitus Glass, Paula Grube, Lara Haucke, Benjamin Janssen, Antonio Lallo, Markus Michalik, Marcus Michalski, Reinhold Ohngemach, Florian Stamm, Martin Theuer und Jonathan Walter
Premiere war am 9. Oktober 2021.
Weiterer Termin (in Ehringen): 28.04.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.wlb-esslingen.de


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