Verrat an
Oscar Wilde
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Regina Fritsch und Tim Werths in Bunbury am Burgtheater Wien | Foto (C) Susanne Hassler-Smith
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Bewertung:
Allein in den nächsten sieben Wochen hat Bunbury in Heilbronn, Tübingen und Wiesbaden Premiere. Auch im Akademietheater, dem „kleinen“ Haus des Burgtheaters, steht Oscar Wildes Komödie seit Mai wieder auf dem Spielplan, diesmal nicht in der Bearbeitung von Elfriede Jelinek, sondern in der Übersetzung von Rainer Kohlmayer. Was ist es, was die Attraktivität eines Stücks, dessen wortspielerischer Haupttitel The Importance of Being Earnest für alle Übersetzer eine Herausforderung bedeutet, 126 Jahre nach der Uraufführung erklären könnte?
Noch ehe das erste Wort gefallen ist, irritieren der Regisseur Antonio Latella und seine Bühnenbildnerin Annelisa Zaccheria mit einem Kontrast: Die Herren spielen, wie es sich bei Oscar Wilde geziemt, in Frack oder Smoking, aber vor der kahlen Brandmauer. Die Lichter im Zuschauerraum bleiben fast die ganze Vorstellung hindurch erleuchtet. Ein Mann, der im Personenverzeichnis als „Ein Gentleman“ aufgeführt ist, liest Regieanweisungen aus dem Manuskript laut vor und sitzt dann als zusätzlicher Zuschauer vorne auf der Bühne, wo zwei Theaterstühle bereit stehen..
Es folgen fast drei Stunden Klamauk. Von Wildes Eleganz und auch von seinem Dandyismus bleibt nichts übrig. Latella setzt auf Wiederholung als komische Technik und zerdehnt verwegen die Pointen bis zur Wirkungslosigkeit. Das wäre unerträglich, gäbe es da nicht die Virtuosität der Schauspieler, Tim Werths' in der Rolle des Algernon Moncrieff, Florian Teichtmeisters als John Worthing, der gerne Ernst wäre, Andrea Wenzls als Cecily Cardew. Dass Regina Fritsch eine begnadete Komödiantin ist, weiß man seit vielen Jahren, aber sie spielt die Lady Bracknell, als wäre sie nicht von Wilde, sondern von Nestroy. Mit zunehmendem Alter ähnelt sie, namentlich in der Sprechmelodie, mehr und mehr der Burgtheaterlegende Susi Nicoletti.
Ein Kabinettstück legt Mavie Hörbiger als Gwendolen Fairfax aufs Parkett, wenn sie ihren Abscheu gegen den Namen Jack mimt. Es sind Augenblicke wie dieser, die einen fast mit einem ansonsten ziemlich quälenden Abend versöhnen. Sogar mit ferngelenkten Ratten, die – wie lustig! – über die Bühne sausen. Man wundert sich, dass sich gestandene Schauspieler nicht dagegen wehren, wenn ihnen Revueszenen von derart penetranter Dämlichkeit abverlangt werden. Das ist eine Beleidigung ihrer Fähigkeiten und unter ihrer Würde. Der Machtmissbrauch im Theater fängt nicht erst an, wenn Regisseure anzüglich werden.
Am Ende, man glaubt es kaum, liest das Publikum den Schlusstext von Tafeln, die der „Gentleman“ hoch hält. Der Trick funktioniert. Die Zuschauer und Mitmacher applaudieren sich selbst. Es ist zum Verzweifeln. Ob Heilbronn, Tübingen oder Wiesbaden den Ausweg weisen werden?
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Max Gindorff, Florian Teichtmeister, Andrea Wenzel und Mehmet Ateşçi in Bunbury am Burgtheater Wien | Foto (C) Susanna Hassler-Smith
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Thomas Rothschild - 16. Oktober 2021 (2) ID 13216
BUNBURY (Akademietheater, 15.10.2021)
Regie: Antonio Latella
Bühne: Annelisa Zaccheria
Kostüme: Graziella Pepe
Musik: Franco Visioli
Choreographie: Francesco Manetti
Licht: Marcus Loran
Dramaturgie: Federico Bellini und Andreas Karlaganis
Besetzung:
John Worthing ... Florian Teichtmeister
Algernom Moncrieff ... Tim Werths
Pastor Chasuble ... Max Gindorff
Merriman Lane, Buttler ... Marcel Heuperman
Lady Bracknell ... Regina Fritsch
Gwendolen Fairfax ... Mavie Hörbiger
Cecily Cardew ... Andrea Wenzl
Miss Prism ... Mehmet Ateşçi
Premiere am Burgtheater Wien: 23. Mai 2001
Weitere Termine: 07., 25.10. / 05., 20., 26.11.2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.burgtheater.a
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