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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Live-

Performance

mit VR



Berlau :: Königreich der Geister von RAUM+ZEIT (am Berliner Ensemble) | Foto (C) Matthias Horn

Bewertung:    



Theater mit VR-Brille ist ja auch nur ein verzweifelter Corona-Ersatz, werden sicher wieder einige sagen, die den Genuss, live spielenden DarstellerInnen im Theater zuzusehen, der virtuellen Schmalkost vorziehen. In der neuen Produktion des deutsch-Schweizer Künstlerkollektivs RAUM+ZEIT am Berliner Ensemble kann man nun beides erleben. In einer Live-Performance mit VR mit dem Titel Berlau :: Königreich der Geister begehen die ZuschauerInnen in 12-Minuten-Abständen einzeln eine im Neuen Haus aufgebaute Theaterinstallation, werden dabei von geflügelten schwarzen Todesengeln geführt, während sie inmitten eines vorproduzierten 360°-Films sitzen oder stehen und kommen in kleinen Kabüffchen drei realen Schauspielerinnen näher als es einem manchmal lieb sein kann.

Esther Hausmann, Amelie Willberg und Susanne Wolff spielen in drei kurzen Szenen die dänische Schauspielerin, Regisseurin, Autorin, Fotografin und langjährige Brecht-Geliebte Ruth Berlau in drei verschiedenen Lebensabschnitten. Als junge enthusiastische Frau, die ihr Leben noch vor sich hat, kurz nach dem frühen Tod des gemeinsamen Sohns Michel mit Bertold Brecht und als gealterte und enttäuschte Frau kurz vor ihrem tragischen Tod in Berlin. Den drei Frauen scheinbar hilflos ausgeliefert wird man hier auch schon mal entsprechend angeherrscht: „Du geisterst hier herum, schneist herein, als würdest du in jedem Raum von irgendwem erwartet. Glaubst du, Dich kann jemand hier gebrauchen?“ Das erscheint im gewissen Maße auch doppeldeutig für eine Frau an Brechts Seite, die ihm fast bedingungslos auf der Flucht von Dänemark über Schweden bis nach Amerika folgte und nach dem Krieg auch mit ans Berliner Ensemble ging, dort aber immer wieder ausgegrenzt und nicht akzeptiert wurde. Trotzdem ist nicht schwer zu erraten, welcher Part dem/der so Hereinschneienden hier zugedacht ist, auch wenn Brechts Namen an diesem Abend kaum fällt.

Das ist spannend gemacht. Immer wieder muss man die Perspektive wechseln und bleibt doch dabei stets selbst im Fokus des Spiels. Mal findet man sich mit VR-Brille im Zuschauerraum und wird von der Bühne herab abgekanzelt. Brecht (Martin Rentzsch) probt den Kaukasischen Kreidekreis, das Stück, an dem Ruth Berlau mit Brecht im Exil in Santa Monica arbeitete. Später fotografierte sie für die bekannten Modellbücher. Michel heißt auch das Kind im Kreidekreis, um das sich zwei Mütter streiten. Brecht schlägt aus der für Berlau schmerzhaften Beziehung noch berufliches Kapital. Ein Kinderdarsteller (Charlie Schrein) sitzt plötzlich neben einem im Parkett. Dann steht man selbst im Kreis mitten auf der Bühne und sucht die Gesichter zu den Stimmen um einen herum, die nicht aufhören mit Belehrungen und Zurechtweisungen. Das 360°-Prinzip des VR-Films ist ja nicht mehr ganz unbekannt, hat wie immer seine Reize aber auch kleinere Schwächen.

Den stärksten Eindruck aber hinterlassen fraglos die intensiven Face-to-Face-Begegnungen mit den drei Schauspielerinnen. Man kann es schon mit der Angst zu tun bekommen, wenn sich Susanne Wolff vor einem aufbaut. Um nur 40 Dollar bittet sie für die Beerdigung des gemeinsamen Sohns. Keck und herausfordernd ist die junge forsche Amelie Willberg. Müde von den jahrelangen Kämpfen sitzt einem dann Esther Hausmann als ältere Ruth Berlau gegenüber. Sie hat da schon die Zigarette in der Hand, die der Berlau im Krankenbett der Charité zum Verhängnis wurde. Flammen züngeln hier aber nur wieder virtuell. Auch wenn beides zusammen ein dichtes, gut einstündiges Gesamtkunstwerk bildet, schlägt das Live-Erlebnis mit starker Frauenpräsenz am Ende doch klar die VR.



Susanne Wolff in Berlau :: Königreich der Geister von RAUM+ZEIT (am Berliner Ensemble) | Foto (C) Matthias Horn

Stefan Bock - 25. Mai 2022
ID 13639
Berlau :: Königreich der Geister (Neues Haus, 23.05.2022)
von RAUM+ZEIT

Regie: Bernhard Mikeska
Bühne: Steffi Wurster
Kostüme: Pauline Hüners
Sounddesign: Knut Jensen
360° Film: RAUM+ZEIT | INVR.SPACE GmbH
Dramaturgie: Male Günther
Mit: Esther Hausmann, Amelie Willberg, Susanne Wolff
sowie Martin Rentzsch, Charlie Schrein (360°-Film)
Premiere am Berliner Ensemble: 5. Mai 2022
Weitere Termine: 26., 27., 29., 31.05. / 01., 02., 06., 07., 09., 10., 13., 15., 16., 17., 20., 21., 22., 24., 27., 28.06. / 01., 02.07.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.berliner-ensemble.de/


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