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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Ein

Wiener

Schwejk



Der Bockerer am Theater in der Josefstadt | Foto (C) Astrid Knie

Bewertung:    



Erst spät wurden Ulrich Becher und Peter Preses und ihre im amerikanischen Exil der politischen Flüchtlinge entstandene Tragische Posse Der Bockerer in Deutschland und Österreich wiederentdeckt. Sie handelt von dem „Fleischhauer und Selchermeister“, dem Metzger Karl Bockerer, einem Wiener Schwejk, der, eigentlich „ein unpolitischer Mensch“, nach dem Anschluss Österreichs im Jahr 1938 der Anfälligkeit für den Nationalsozialismus entgeht, indem er seinem gesunden Menschenverstand folgt, und gehört zum Genre des Neuen Volksstücks. Sie profitierte von der Renaissance Ödön von Horváths, mit dem Becher und Preses einiges gemeinsam haben, dessen sprachliche Meisterschaft sie allerdings nicht teilen. Bockerers Sohn Hans, der zur SA geht, erinnert an Horváths Sladek. Das Klischee von den konservativen Alten und den fortschrittlichen Jungen wird im Bockerer nicht nur dramaturgisch, sondern auch durchaus an realen Erfahrungen orientiert unterlaufen. Dass der irregeleitete Sohn vor Stalingrad fallen muss, gehört wiederum zu den geläufigen Klischees, steht jedoch nicht im Widerspruch zur Wahrheit.

Nach der Befreiung im Jahr 1945 erscheint dem Bockerer der Geist Adolf Hitlers in Pyjama und Gummimantel. Es ist aber, wie sich bald herausstellt, ein Irrer, der von Pseudojapanern in die Anstalt zurück geholt wird. Das Publikum lacht sich schief über die schnarrende Hitlerparodie. War der Führer wirklich nur eine Witzfigur?

Das Bühnenbild von Sophie Lux arbeitet geschickt mit einer Kombination von sparsamen Requisiten und Räumen mit Projektionen, die die historische Situation beschwört. Die Technik ist funktional und erschlägt nicht das Bühnengeschehen. Altmodisch? Mag sein. Aber das Stück kann auch nicht gerade als Avantgarde gelten.

Den unheldischen Helden spielt, sozial wie geographisch sehr genau, der Publikumsliebling Johannes Krisch, der eigentlich dem Burgtheaterensemble angehört, aber gerne in der Josefstadt gastiert. Auch Ulrich Reinthaller, der sowohl den zur Flucht gezwungenen Juden Dr. Rosenblatt, wie auch den Gestapo-Mann Dr. von Lamm verkörpert, wechselt zwischen Burg und Josefstadt.

Am glücklichen Ende: Standing Ovations. Der antifaschistische Konsens hat das Theater in der Josefstadt erfasst. Wovor sind Becher und Preses eigentlich geflohen? Wimmelte es nicht von Bockerers, die sie versteckt hätten? Irgendetwas geht da nicht zusammen. Wer sich nicht in die Tasche lügen will, muss eingestehen: Der Bockerer ist, aus heutiger Sicht, eine rückwärtsgewandte Utopie.




Der Bockerer am Theater in der Josefstadt | Foto (C) Astrid Knie

Thomas Rothschild - 17. Oktober 2021
ID 13218
DER BOCKERER (Theater in der Josefstadt, 16.10.2021)
Regie: Stephan Müller
Bühnenbild und Video: Sophie Lux
Kostüme: Birgit Hutter
Musik: Nikolaj Efendi
Choreografie: Daniela Mühlbauer
Dramaturgie: Barbara Nowotny
Licht: Pepe Starman
Besetzung:
Karl Bockerer ... Johannes Krisch
Sabine ... Alexandra Krismer und Ulli Maier
Hans ... Tobias Reinthaller
Hatzinger ... Johannes Seilern
Dr. Rosenblatt / Dr. von Lamm ... Ulrich Reinthaller
Rayonsinspektor Guritsch / Berliner Parteigenosse / Herr Blau ... Alexander Strömer
Der Hermann, Eisenbahner / Alois Selchgruber ... Martin Zauner
Die Frau vom Hermann / Wastl / Frau Blau / "Madame" ... Susanna Wiegand
Ferdinand Gstettner ...Oliver Rosskopf
Mizzi Haberl / Sekretärin ... Johanna Mahaffy
Dr. Galleitner, Philosoph / Berliner Parteigenosse / 2. Unauffälliger / Blaubemützter ... Oliver Huether
Knabe / Berliner Parteigenosse / 1. Unauffälliger / Radioansager ... Marcus Bluhm
Kameramann ... Michael Würmer
Premiere war am 16. Oktober 2021.
Weitere Termine: 17., 20., 27.10. / 10., 16., 27., 28.11. / 11., 12., 23., 29.12.2021


Weitere Infos siehe auch: https://www.josefstadt.org/


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