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Der Biberpelz am Staatstheater Cottbus | Foto (C) Marlies Kross

Bewertung:    



Nach Umkämpfte Zone von Ines Geipel inszeniert Armin Petras mit Der Biberpelz von Gerhart Hauptmann bereits sein zweites Stück am Staatstheater Cottbus. Und nun sogar als designierter Schauspieldirektor. Das Amt übernimmt er nach dem plötzlichen Weggang der mit dem neuen Intendanten Stefan Maerki gekommenen Dramaturgin Ruth Heynen. Das sorgte für einiges Aufsehen im Kulturbetrieb und auch für ein hohes überregionales Presseinteresse am Premierenabend.

Mit seiner mundartlicher Diebskomödie hatte Hauptmann 1893 eine sehr genaue Milieustudie des Berliner Umlands im Deutschen Kaiserreich vor der Jahrhundertwende vorgelegt. Die Figuren haben ihr Vorbild in Personen, die Hauptmann während seines Aufenthalts in Erkner kennenlernte. Mit einfachen Mittel des volksnahen Humors zirkelte Hauptmann seine soziale Kritik an den ärmlichen Verhältnisse der unteren Bevölkerungsschichten und an der Obrigkeitshörigkeit des deutschen Regionalbeamtentums an der Zensur vorbei. Trotzdem hagelte es zunächst harsche Kritik am Aufbau und offenen Ende des Stücks, dem erst nach seiner Aufführung 1997 in Wien durch die Fürsprache von Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal ein anhaltender Erfolg beschieden war.

Ein Renner auf den Spielplänen ist Der Biberpelz dennoch nicht. Herbert Fritsch landete 2011 mit seiner Klamotte aus Schwerin beim Berliner Theatertreffen. Katharina Thalbach schenkte sich 2014 in der Komödie am Ku'damm die Titelrolle der gewitzten Wäscherin Mutter Wolffen zum 60sten. Zum reinen Schenkelklopfer ist das Stück dann allerdings auch zu schade. Armin Petras lässt es in Cottbus nun forsch angehen, wenn er gleich zu Beginn die zwei Meter Knüppelholz von Rentier Krüger im Schneetreiben der Windmaschine mit viel Gepolter an die Rampe kippen lässt. Dazu dröhnt die Live-Gitarre von Philipp Weber, der den ganzen Abend von der Seite musikalische begleiten wird.

*

Armin Petras reicht das originale Stück von Hauptmann nicht. Der Regisseur hat inspiriert von der DEFA-Verfilmung von Erich Engel aus dem Jahr 1949 den Personenkreis für seine Inszenierung und die Geschichten um den Diebstahl des Holzes und des titelgebenden Biberpelzes erweitert. Da poussiert die Wolff-Tochter Leontine (Gast Julischka Eichel) mit dem Gendarm Schulz (Markus Paul) und bekommt man Hintergrundinformationen zum windigen Denunzianten Motes (Kai Börner), der aus dem Haus Krüger geworfen mit seiner Frau (Sophie Bock) den sozialen Aufstieg über Spitzeldienste für den Amtsvorsteher von Wehrhahn versucht. Der etwas minderbemittelte Amtsdiener Mitteldorf (Johannes Scheidweiler) lässt sich vom diebischen Pärchen Mutter und Vater Wolff (Susann Thiede und Thomas Harms) willig einspannen und wechselt im Dienst des Amtsvorstehers den schmuddeligen Parka schnell gegen eine Bomberjacke und Pistole.

Sigrun Fischer gibt den überambitioniert nach Reichsfeinden suchenden von Wehrhahn als national-ökologischen Vegetarier, dem Petras noch Torben Appel als Frau an die Seite gegeben hat. Genderswitch und braune Gesinnung, hier ist so einiges gegen den Strich gebürstet. Der liberale Großstädter Fleischer (Gunnar Golkowski) schmiedet feinsinnige Verse und spritzt seinen rebellierenden Sohn Philipp (Torben Appel), der seine Mutter vermisst, in den Schlaf. Auch der bestohlene Krüger (Gast Horst Kotterba) hat es faustdick hinter den Ohren. Machtmissbrauch, sexuelle und häusliche Gewalt, alles, was bei Hauptmann nur erahnbar ist, wird hier überdeutlich.

Alexander Wolf hat auf die Drehbühne einen schanzenartigen Bau gestellt, der auf der einen Seite die Stube der Familie Wolff zeigt, an den Seiten einen Spreewaldkahn und abgeholzte Baumstämme. Raub also auch an der Natur. Auf der Schräge spielen die Akte in der Amtsstube. Auf den geschlossenen Gazevorhang lässt Armin Petras kurze Filmszenen (Video: Rafael Ossami Saidy) projizieren, die mit dem Ensemble rund um Cottbus und auf den Kanälen des Spreewalds gedreht wurden. Da sieht man u.a. den Handel um den gewilderten Rehbock zwischen Wolffens und dem Schiffer Wulkow (Amadeus Gollner) samt seiner schwangeren Frau (Ariadne Pabst).

Letztendlich bekommt den Zuschlag aber Frau von Wehrhahn für ein Festessen, dass das großartig aufspielende Cottbuser Ensemble am Ende an einer großen Tafel zusammenführt. Armin Petras tischt dick auf, scheut nicht den bösen Klamauk, bei dem einem eher das Lachen im Halse stecken bleiben soll. Die grobe Mundart der kleinen Leute zeugt von einem dicken Fell. Mutter Wolffen wehrt sich schlau, wickelt alle wie eine personifizierte Wäschemangel um den Finger und scheut auch den Einsatz der eigenen Töchter nicht. Aber im Grunde weiß hier jeder von jedem, was es geschlagen hat. Wer nicht in den allgemeinen Chor der Lügner und Weißwäscher einstimmt, wird einfach „gesäubert“.



Der Biberpelz am Staatstheater Cottbus | Foto (C) Marlies Kross

Stefan Bock - 25. Januar 2022
ID 13421
DER BIBERPELZ (Staatstheater Cottbus, 22.01.2022)
Eine Diebskomödie von Gerhart Hauptmann in einer Bearbeitung von Armin Petras

Regie/Text: Armin Petras
Bühne: Alexander Wolf
Kostüme: Cinzia Fossati
Musik: Philipp Weber
Video: Rafael Ossami Saidy
Dramaturgie: Ludwig Haugk
Dramaturgie: Lisa Mell
Besetzung:
von Wehrhahn, Amtsvorsteher .. Sigrun Fischer
Frau von Wehrhahn ... Torben Appel
Krüger, Rentier ... Horst Kotterba
Dr. Fleischer ... Gunnar Golkowski
Philipp ... Torben Appel
Motes, versehrt, Forstfachmann ... Kai Börner
Frau Motes ... Sophie Bock
Frau Wolff, Waschfrau ... Susann Thiede
Julius Wolff, Schiffszimmermann ... Thomas Harms
Leontine ... Julischka Eichel
Adelheid ... Lisa Schützenberger
Wulkow, Schiffer ... Amadeus Gollner
Frau Wulkow ... Ariadne Pabst
Glasenapp, Amtsschreiber ... Anouk Wagener
Mitteldorf, Amtsdiener ... Johannes Scheidweiler
Gendarm Schulz ... Markus Paul
Premiere war am 22. Januat 2022.
Weitere Termine: 29.01. / 27.02. / 17., 26.03. / 18., 27.04. / 15.05.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.staatstheater-cottbus.de/


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