Die Rückkehr
der Clowns
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Les Founambules | Bildquelle: fraukestehl.de
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Bewertung:
Es gibt Kleinkunstpreise. Also muss es auch Kleinkunst geben. Was man darunter versteht, hat sich freilich in den vergangenen Jahrzehnten gründlich verändert. Noch vor einem halben Jahrhundert stand in ihrem Zentrum das Kabarett in seiner politischen und seiner weniger politischen Spielart. Es hatte seine Heimat beispielhaft im Mainzer Unterhaus oder in Kleintheatern mit festem Ensemble wie dem Düsseldorfer Kom(m)ödchen oder der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Inzwischen wurde das Kabarett, das diesen Namen verdient, unter dem maßgeblichen Einfluss des Fernsehens, weitgehend abgelöst von der sogenannten Comedy.
Die wiederum hat sich in den vergangenen zwanzig bis dreißig Jahren spinnwebenartig ausgebreitet, in Stuttgart vor allem im Theaterhaus, in der deutlich intimeren Rosenau mit Gastronomie im Westen der Neckarmetropole, die sich nach ökonomisch wechselhaften Zeiten erfolgreich gefangen hat, und im „edleren“ Renitenztheater, das auch einst das Kabarett pflegte, das heute nur noch als Fragment überlebt. Vergessen die Zeit, als Hannelore Kaub und ihr Bügelbrett hier auftraten und auch das „Hausprogramm“ ein respektables Niveau besaß.
In der voll besetzten Rosenau trat nun ein Duo auf, das den üblichen Rahmen sprengt: Les Founambules aus Belgien. Gegründet wurden sie 1985. Jetzt feiern sie nach einer sehr langen Pause ein Comeback. Wenn man für ihre Kunst eine Kategorie sucht, dann ist das am ehesten die Pantomime, die lediglich von mundgemachten Geräuschen und einzelnen Wörtern begleitet wird. Sie zitieren auch kurz klassische Nummern des Genres wie das Abtasten einer imaginären Glasscheibe oder das Heben eines Gewichts. Was sie aber von dem Großmeister der Pantomime Marcel Marceau und dessen Epigonen Samy Molcho unterscheidet, ist die Abwesenheit von sentimentaler Putzigkeit, die bei einem für Kitsch empfänglichen Publikum immer verfängt. Stattdessen orientieren sie sich an der Groteske der großen Clowns und früher Stummfilmkomiker wie Buster Keaton, Harold Lloyd oder Stan Laurel und Oliver Hardy.
Da sägen die beiden einen imaginären Baum um und suggerieren, dass dessen mächtige Krone ins Publikum fällt. Sie karikieren ein Elfmeterschießen unter reichlichem Vorweis einer gelben Karte, auch gegenüber unartigen Zuschauern. Sogar Neil Armstrong darf im schwerelosen Raum Fußball spielen. Die Komiker des Alltags versuchen, eine Fliege zu erschlagen – die boshafte Variante von Marceaus Schmetterlingsjagd, die manche für den Inbegriff von Poesie halten, überbietbar lediglich durch Saint-Exupérys Kleinen Prinz oder die Klapperverse von Eugen Roth.
Nach der Pause parodieren Les Founambules das Mitmachtheater, aber auch den Western. Mithilfe von bunten Modellierballons mimen sie in rascher Folge verschiedene Figuren, ehe sie sich verabschieden. Das Publikum will sie nicht von der Bühne lassen. Kleinkunst at it’s best. Und das Beste daran: dieser Abend erspart einem das Geschwätz, das als Comedy firmiert und meist nicht annähernd so komisch ist wie Das Comeback von Les Founambules.
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Thomas Rothschild – 18. Dezember 2023 ID 14528
Weitere Infos siehe auch: https://fraukestehl.de/les-founambules/
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