34. Tanztage Berlin | 9. - 25. 1. 2025, in den Sophiensælen
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Release the Hounds von und mit Adam Russell-Jones
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Foto (C) Mayra Wallraff
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Bewertung:
Heute enden die diesjährigen TANZTAGE BERLIN. Die Sophiensaele richteten innerhalb der zurückliegenden zwei Wochen vier Premieren, sechs Wiederaufnahmen sowie ein Diskurs- und Workshop-Programm zu "Knappheit, Körperpolitik und Burnout" aus; bei einigen der Aufführungen fungierten sie als Eigen- oder Mitproduzent. Zum Abschluss des Festivals gibt es noch eine Closing Party mit CHOKA; außerdem bringt das lateinamerikanische Kollektiv ein raumgreifendes Line-Up und eine Nacht voller Performances mit ronald Berger, @nnast_antn sowie Matilde Bassetti & Marcos Nacar.
Gestern Abend war ich nochmal kurz vor Ort, um Adam Russell-Jones zu sehen - seine Performance heißt Release the Hounds [dt.: "Lass die Hunde frei"], und sie...
"...zeigt einen Tanz durch die Krise. Auf der Bühne schlängelt sich der Performer durch eine Reihe von Gesangs- und Tanznummern in Form eines offenen körperlichen Gedichts. Angelegt auf der Tanzfläche der Psyche des Performers – die an einen Ballsaal oder den Keller eines Nachtclubs erinnert – zeigt das Spektakel einen Mann, der nicht aufhören kann zu tanzen. Inspiriert von den Tanzmarathons der 1920er/1930er Jahre während der Großen Depression in den USA und der Rave-Kultur, sowohl der heutigen als auch der aus der Thatcher-Ära, ist Release the Hounds eine Ballade über den Tänzer aus der Arbeiterklasse. Während er auf der Tanzfläche schwankt und in der Zeit schwebt, stellt sich die Frage, ob er zum Vergnügen oder zum Geldverdienen da ist. Das Werk untersucht die sinnliche und poetische Erfahrung, die letzte Person auf der Tanzfläche zu sein; eine abstrakte Darstellung des Tanzes als Flucht aus der Realität, aber auch als Mittel, um sie zu überleben." (Quelle: sophiensaele.com)
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Adam Russell-Jones: Release the Hounds | Foto (C) Mayra Wallraff
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Er tritt von links auf, scheint Drogen intus zu haben, und seine verlorene Seele orientiert sich haltsuchend am kalten Mauerwerk im Hintergrund, so sehe ich ihn eine Weile lang und will ihm irgendwie zuhilfe springen, und ich ahne freilich, dass es ihm nicht "helfen" würde und er erstmal ausgenüchtert sein sollte, bevor ich's wiederum bei ihm versuchte; immerhin und wenigstens kann er sich auf den Beinen halten, also (erstmal) keinerlei Gefahr für ihn; soweit die Hoffnung...
Dass er vom klassischen Ballett kommt - der Tänzer sammelte solistische und Ensemble-Erfahrungen unter anderem beim Nederlands Dans Theater oder dem Stuttgarter Ballett - , seh' ich sofort, nicht allein durch seine ironisch gemeinten Zwischeneinlagen auf Spitze, zunächst noch mit Sneakers, später dann, als er sich von seinem kapuzenlosen Hoodie, der abgetragenen Hüftjeans und dem Schuhwerk befreit, mit freiem Oberkörper und dunkelbrauner Strumpfhose, beinahe barfuß also. Und ich sehe oder (besser:) spüre auch, dass er mit klassischem Ballett irgendwie abgeschlossen hat.
Sein zwischen heiter & ernst hin und her wechselnder Gesichtsausdruck und (mehr noch:) seine graublauen (?) und warm strahlenden Augen nehmen mich und den Rest des Publikums sofort für sich ein; ein Hingucker sondergleichen!
Und dann zeigt er sich zumeist von hinten, und seine Händen voll- und verführen ihn, und es sieht aus, als wäre da wohl noch wer, also vor ihm, und derjenige würde nicht von ihm lassen wollen; sehr ausdrucksstarkes wie bewegtes Bild.
Im zweiten Teil seiner Performance erlebe ich ihn in Posen, die ihn einmal wie bei einem Casting vor einer ihn begutachten wollenden Jury, ein andermal wie sich von außerhalben menschlichen Zumutungen oder Geißeln Befreiten aussehen lassen...
Zum Schluss verteilt er sein Lächeln nach hie und da, macht allerletzte Faxen, um hiernach mit dem rechten Zeigefinger auf seine geschlossenen Lippen zu deuten, was ein "Pst..." bei mir und meinen Mitzuschauenden assoziiert; und dunkel wards.
Sehr schön, sehr anrührend gemacht.
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Andre Sokolowski - 25. Januar 2025 ID 15117
Release the Hounds (Sophiensæle Berlin, 24.01.2025)
Choreografie und Performance: Adam Russell-Jones
Sounddesign: Moritz Haas
Szenografie: Hannah Rose Stewart
Künstlerische Beratung: Eugene Yiu Nam Cheung
Dramaturgische Unterstützung: Mateusz Szymanówka
Eine Produktion von Adam Russell-Jones in Koproduktion mit Sophiensæle
Weitere Infos siehe auch: https://tanztage.sophiensaele.com
https://www.andre-sokolowski.de
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