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Doch nicht

grau da unten



Mutti, was machst Du da? von Axel Ranisch & Paul Zacher am BE | Foto © Jörg Brüggemann

Bewertung:    



Stefanie Reinsperger blickt scheu, verträumt und ein wenig verloren ins Publikum. Ihre Haare sind streng nach hinten gegelt. Sie trägt einen unförmigen Joggingdress. Ihre Augen glänzen. Sie spricht leise, verlegen und ein bisschen unterwürfig über sich. Sie ist Anton, der nach dem Tod des Vaters bei Opa und Oma aufwuchs. Doch als auch der Opa stirbt, verändert sich der Duft in der Wohnung. Oma Evelyn (Tilo Nest), die zuvor mit Opa, Muckelchen genannt, ein Herz und eine Seele war, beginnt zu nerven.

Ein holzvertäfelter Turm mit Fenstern steht im Bühnenzentrum des Neuen Hauses am BE, davor sehen wir eine Sitzbank. Rechts ist ein Flügel platziert, links sehen wir einen herabhängenden Boxsack. Alle Requisiten werden im Stückverlauf ausgiebig erprobt (Ausstattung: Saskia Wunsch).

Gleich zu Anfang der Komödie Mutti, was machst du da? von Axel Ranisch & Paul Zacher steht ein grundlegender Konflikt, forciert von Antons kühler, forscher und pragmatischer Mutter Elke (Constanze Becker), einer beherzten Physiotherapeutin. Der Mittzwanziger Anton ist erwachsen und soll ausziehen. Dafür soll Oma, die an Demenz leidet, bei ihr einziehen. Oma kriegt dann Antons Zimmer. Doch Elke hat ihre Rechnung ohne ihren Sohnemann und seine Oma gemacht. So meint Oma Evelyn alsbald Reißaus nehmend zu ihrem Enkel: „Ich möchte vor deiner barmherzigen Mutter flüchten. Will die sich für irgendetwas rächen?“

Elke erwidert: „Habt ihr nicht mehr alle Kerzen am Leuchter?“

Voller Situationskomik sehen wir eine Frau, die mit Verständnislosigkeit auf ihre Mutter reagiert, die beim Wohnungsverwalter alle zuvor geklärten Abmachungen vergisst. Anton bittet seine Mutter, der dementen Oma trotzdem auf Augenhöhe zu begegnen. Er freundet sich mit der Idee an, von zu Hause auszuziehen, als er realisiert, dass er dafür Omas Wohnung haben könnte. Anton hat sich nämlich in den attraktiven und eloquenten Pepe (Max Gindorff) verliebt. Pepe lässt sich nicht ganz uneigennützig auf das Techtelmechtel mit dem Freund aus Kindertagen ein, wurde er doch gerade selbst von seiner Mutter Astrid (Kathleen Morgeneyer) auf die Straße gesetzt. Astrid erhofft sich so, einer Annäherung mit Manfred (Paul Herwig) näherzukommen.

Die Zuschauer werden auf der Bühne mit skurrilen Randexistenzen konfrontiert. Pepe sammelt so als vorgeblicher Vertreter der Pharmaindustrie Restbestände aus alten Hausapotheken ein. Pepe scheint Antons Gefühle zu erwidern, denn auch er begrüßt die Idee, mit Anton alsbald zusammenziehen. Dabei hat Pepe bereits einen treu ergebenen Begleiter, der ihm auf Schritt und Tritt folgt, Blümchen (aufgeweckt im angedeuteten Hundekostüm: Jonathan Kempf). Nicht nur Blümchen beäugt höchst misstrauisch die Zweisamkeit zwischen seinem Herrchen und Anton; auch Elke bemerkt, dass ihr diese Pläne ihres Sohnes allzu vorschnell erscheinen.

Anton lernt erst spät seine stürmische Liebe bewusst zu zügeln, wenn Pepe ihn, sichtlich nicht ehrlich, trotzig bittet mal zwischen den Zeilen zu lesen: „Nie sollst du mich mehr befragen.“ Die Figuren werden mit Schufa-Einträgen konfrontiert, mit denen man angeblich nicht einmal mehr Kurzstrecke fahren dürfte. Ein Außenstehender meint gar, der Belastete habe in seiner Mietwohnung einst tragende Wände eingerissen.

Schlussendlich ist nicht nur Oma bald vom Erdboden verschluckt. Allerlei Krankheiten – neben Demenz auch Bipolarität, Leukämie und die ICD-10 – werden genüsslich seziert.

Mehrere Akteure erproben sich gekonnt am Gesang gereimter Lyrics, an Klavier, Akkordeon und Blockflöte. Dabei spielen auch rollernde Harmonien einer Kaffeemaschine eine Rolle. Es geht darum, dass sich Dur besser verkauft als Moll, um die eigene Beziehungs(un)fähigigkeit, Projektionen, das Atmen, aber auch das Zusammenkneifen der Arschbacken.

Turbulente Wendungen, schrägen Witz, Nachdenklichkeit und die Unbedingtheit seines Gefühlserlebens zeichneten bereits Axel Ranischs 2018er Debütroman Nackt über Berlin aus.

Auch Mutti, was machst du da? ist eine nachdenkliche Komödie mit Herz und voller schreiender Situationskomik, die von ihren liebevoll gezeichneten, köstlich überzogen Figuren lebt.



Stefanie Reinsperger als Anton, Constanze Becker als Mutti, Tilo Nest als Oma in Mutti, was machst Du da? von Axel Ranisch & Paul Zacher am BE | Foto © Jörg Brüggemann

Ansgar Skoda - 30. Mai 2024
ID 14773
MUTTI, WAS MACHST DU DA? (Neues Haus, 28.05.2024)
von Axel Ranisch und Paul Zacher

Regie & Video: Axel Ranisch
Ausstattung: Saskia Wunsch
Musik: Martina Eisenreich
Licht: Hans Fründt
Dramaturgie: Johannes Nölting
Besetzung:
Anton Hartwichsen ... Stefanie Reinsperger
Elke Hartwichsen ... Constanze Becker
Evelyn ... Tilo Nest
Pepe Schauer ... Max Gindorff
Astrid Schauer ... Kathleen Morgeneyer
Blümchen ... Jonathan Kempf
Manfred Braunert ... Paul Herwig
UA am Berliner Ensemble: 2. Dezember 2023
Weitere Termine: 05.-07.07.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.berliner-ensemble.de


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