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Beethovenfest Bonn 2025

Strippenzieher

einer

blutigen

Quest



Die Odyssee am Theater Bonn | Foto © Matthias Jung

Bewertung:    



Die sich öffnende Bühne bietet ein eindrucksvolles Bild: Ein Lichtkreis markiert die Rückwand. Seile und Stoffbahnen hängen kreisrund mittig vom Bühnenhimmel. Dunkle Flocken wirbeln vereinzelt in die Luft. Ebenso sachte wie effektvoll schälen sich Arme und Finger von Figuren aus dem Boden. Fünf Akteure werden so nach und nach sichtbar, die schließlich langsam unter dunklen, synthetischen Filzbrocken ganz hervortauchen.

Das Beethoven Orchester Bonn, im Bühnenhintergrund im Halbkreis stehend, untermalt mit leisen, unaufdringlichen Texturen und Akzentsetzungen das Geschehen. Eine instrumentale Begleitung der Aufführung wurde extra von Ketan Bhatti, Beethovenfest-Fellow 2025, für die Produktion komponiert. Neben klassischen Instrumenten wie Streichern sowie Blech- und Holzbläsern lassen auch erweitertes Schlagwerk, ein Klavier und Instrumente nichtwestlicher Kulturen, wie ein armenisches Duduk und eine irakische Spießgeige, aufhorchen. Es gibt keinen Gesang wie in Opernbearbeitungen des Stoffes von Händel oder Monteverdi; das Orchester interagiert nur musikalisch, das Geschehen grundierend.

Eine wechselnde Beleuchtung, Schlagscheinwerfer und Theaterrauch sorgen darüber hinaus für atmosohärisch fluide Bühnenmomente, die stets neue Handlungsorte des mythischen Stoffes andeuten. Die Odyssee, das 3.000 Jahre alte Epos des griechischen Dichters Homer, wurde von Simon Solberg nach einer Übersetzung von Johann Heinrich Voß stark bearbeitet, gekürzt und verdichtet.

Im Schauspielhaus Bad Godesberg beginnt Penelope (Julia Kathinka Philippi) zu erzählen. Bald kommen andere Figuren zu Wort. Die Akteure wechseln sich ab, wenn sie laut und lebendig nach vorne zum Publikum hin das Geschehen berichten und kommentieren. Alle Akteure - außer Odysseus-Darsteller Glenn Goltz - verkörpern mehrere Figuren, ohne ihre Kostüme zu wechseln. Die Krieger, die Frau und Kinder verlassen, um andere Länder anzugreifen, haben so nur geringen psychologischen Tiefgang und wirken ein bisschen austauschbar.

Tuchbahnen, Schnüre und Seile, vom Bühnenhimmel baumelnd, werden in unterschiedlichen Formen multifunktional wiederverwendet und sind sozusagen wichtigstes Bühnenrequisit. Zu Beginn stellt ein Bündel Seile eine erste Heimstatt des gerade geborenen Telemachos dar. Wenn Odysseus tapfere Gefährten später rudern, ziehen sie gemeinsam an einem Strang. Die Freier der zurückgelassenen Penelope schaukeln an Seilen, während Penelope mit dem Weben von einem Totentuch eine anstehende Partnerwahl als Witwe zu verzögern versucht.

Odysseus Inselbesuche und -abenteuer reihen sich in ihrer Gleichförmigkeit einigermaßen vorhersehbar aneinander. Bekannte Ungeheuer der Odyssee wie ein einäugiger, menschenfressender Riese werden erwähnt ohne selbst zur Darstellung zu kommen. Diffuse Ängste von Odysseus und einzelnen Begleitern werden angedeutet. Als kraftvolle und derbe Eroberer plündern sie dann jedoch die entdeckten Inseln, rauben Bewohner aus und lassen so die vermeintlich menschenfressenden Monster selbst zu Opfern werden.

Die Aufführung erhält ein Spannungsmoment, wenn die Zauberin Kirke (Julia Kathinka Philippi) Odysseus tänzerisch umgarnt und in eine Falle zu locken versucht. Hier wird Odysseus hinterrücks von Händen gegriffen, deren zugehörige Körper im Dunkeln bleiben. Kirkes Verwandlung von Odysseus Kameraden in Schweine wird jedoch nur erzählt und nicht dargestellt. Wirkungsvoll ist hingegen noch die Sirenen-Szene. Um von den Stimmen der Sirenen nicht übermannt zu werden, lässt sich Odysseus von seinen Gefährten fesseln. Gleich nach der überstandenen Gefahr streitet er jedoch trotzdem mit ihnen.

Bald hängen Odysseus Krieger (Alois Reinhardt, Christian Czeremnych und Timo Kählert) an Stahlseilen und Bändern von der Bühnendecke, ohne nunmehr eigenständig kämpfen zu können. Schlussendlich grundieren Geigen und andere Streichinstrumente wachsende Trauer von Odysseus und Penelope, wenn sie erkennen, dass ihr Sohn Telemachos im Kampf gefallen ist. Es bleibt fraglich, ob das voneinander entfremdete Paar wieder zusammen findet. Ein mittig aufgestellter, aus Seilen geformter Baum stimmt im Schlussbild versöhnlich.

*

Simon Solberg hinterfragt den Heldenmythos um den Eroberer Odysseus durch seine Abwandlungen des Epos. Diese nachdenkliche Fassung könnte man im Hinterkopf behalten. 2026 dürfte der angekündigte Hollywood-Blockbuster Die Odyssee von Batman-Regisseur Christopher Nolan mit Action-Star Matt Damon als Odysseus wieder einseitig listige Winkelzüge und gewalttätige und archaische Kriegskünste postiv verherrlichen.

Nach pausenlosen zirka anderthalb Stunden Spieldauer bedankt sich das teils sichtlich ermüdete Publikum mit freundlichem und enden wollendem Applaus.



Die Odyssee am Theater Bonn | Foto © Matthias Jung

Ansgar Skoda - 14. September 2025
ID 15462
DIE ODYSSEE (Schauspielhaus Bad Godesberg, 11.09.2025)
Eine Sprechoper für Schauspielerinnen und Schauspieler & Orchester
In einer Fassung von Simon Solberg nach Homer

Komposition: Ketan Bhatti
Musikalische Leitung: Dirk Kaftan
Dirigent: Leonhard Kreutzmann
Regie und Bühne: Simon Solberg
Kostüme: Ines Burisch
Licht: Thomas Tarnogorski
Dramaturgie: Jens Groß
Mit: Christian Czeremnych, Glenn Goltz, Timo Kählert, Julia Kathinka Philippi und Alois Reinhardt.
Premiere war am 10. September 2025.
Weitere Termine: 13., 14., 16.-18.9.2025
Eine Kooperation mit dem Beethovenfest Bonn und dem Beethoven Orchester Bonn


Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-bonn.de


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