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Tells

Geschoss



Lukas Jakobski (Leithold) und Christoph Pohl (Guillaume Tell) in Rossinis Guillaume Tell am Theater an der Wien | Foto (C) Moritz Schell

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Das waren noch Zeiten, als Tyrannen die Konflikte mit ihren Widersachern im individuellen Zweikampf lösten. Gesler, der sich gemeinhin, so auch bei Schiller, mit zwei "s", bei Gioachino Rossini aber mit einem "s" schreibt, braucht kein Killerkommando. Er erledigt die Sache selbst – mit erheblichem Risiko, wie der Schweizer Nationalmythos aus deutschem Drama und italienischer Oper zeigt. Ehe er freilich Tells Geschoss erliegt, senkt er sich auf einem Plafond herab, der das Schweizer Volk zu erdrücken droht. Der Einfall ist nicht neu, aber wirkungsvoll.

Es ist nicht die einzige Idee in der Inszenierung von Torsten Fischer, dem Schützling von Günter Krämer, der in Wien am Sprechtheater wie im Musiktheater längst zu den gefragtesten Regisseuren zählt, die einem vertraut vorkommt. Sein Guillaume Tell am Theater an der Wien ist gerade so konventionell, dass er niemanden verstört, und gerade so poetisch, dass er visuell nicht langweilt. Die Arrangements fügen sich zu üppigen Bildern, und der Chor ist fast ständig in synchroner Bewegung, darf die Hände vom Körper spreizen oder Schlangentänze mit gefüllten Weingläsern zelebrieren, ohne einen Tropfen zu verschütten.

Rossini ist insofern ungerecht, als er seine schönsten Melodien der faden ausufernden Liebeshandlung zueignet und so die politische Geschichte um Wilhelm Tell (Christoph Pohl) und den despotischen Gouverneur Gesler (Ante Jerkunica) musikalisch benachteiligt. Entsprechend bekommen Jane Archibald als die am Ende zur Freiheit bekehrte Habsburger-Prinzessin Mathilde und John Osborn als ihr wankelmütiger Liebhaber Arnold Melchthal – zu Recht – den meisten Applaus. Dafür dürfen sie darstellerisch nicht viel mehr tun als herumstehen und sich umarmen.

Am Schluss zieht sich Edwin Crossley-Mercer als Walter Fürst, der ständig auf der Bühne umherschleicht wie ein Abgesandter des Himmels, Geslers Uniformjacke über. Wir haben verstanden: der Tyrann ist tot, sein Nachfolger steht in den Startlöchern. Auch eine geschichtspessimistische Chiffre, die wir schon unzählige Male gesehen haben. Ob sich die tapferen Schweizer aus Uri, Schwyz und Unterwald darin wiedererkennen? Na ja, zum Glück ist man im Theater an der Wien noch nicht dem kuriosen Dogma verfallen, dass Bühnenkünstler zu sein hätten, was sie darstellen. Der österreichische Unterdrücker ist im wirklichen Leben Kroate. Dafür sind die meisten Mitglieder des Chors unübersehbar nicht die Schweizer, die sie spielen. Wir dürfen annehmen, dass dieser Walter Fürst kein neuer Gesler wird. Ist ja alles nur Theater. Und wo Menschen singen anstatt zu reden, ist auch eine Uniformjacke nur ein Kostüm aus dem Fundus.




Guillaume Tell am Theater an der Wien | Foto (C) Moritz Schell

Thomas Rothschild – 22. Oktober 2018
ID 10980
GUILLAUME TELL (Theater an der Wien, 21.10.2018)
Musikalische Leitung: Diego Matheuz
Inszenierung und Licht: Torsten Fischer
Ausstattung: Herbert Schäfer und Vasilis Triantafilopoulos
Licht: Franz Tscheck
Choreografie: Karl Alfred Schreiner
Video: Jan Frankl
Dramaturgie: Herbert Schäfer
Besetzung:
Guillaume Tell ... Christoph Pohl
Arnold Melcthal ... John Osborn
Mathilde ... Jane Archibald
Hedwige ... Marie-Claude Chappuis
Jemmy ... Anita Rosati
Melcthal ... Jérôme Varnier
Gesler ... Ante Jerkunica
Walter Fürst ... Edwin Crossley-Mercer
Ruodi ... Anton Rositskiy
Rodolphe ... Sam Furness
Leuthold ... Lukas Jakobski
Arnold Schoenberg Chor
(Choreinstudierung: Erwin Ortner)
Wiener Symphoniker
Premiere war am 13. Oktober 2018.
Weitere Termine: 23., 27.10.2018


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-wien.at


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