Eitle Gockel,
Hühnergezänk
und flinke
Tauben
DIE HEIMLICHE EHE von Domenico Cimarosa an der Oper Köln
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Donato di Stefano als Geronimo und Renato Girolami als Graf Robinson in Il matrimonio segreto an der Oper Köln | Foto © Paul Leclaire
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Bewertung:
Eine lebendige Oper heiteren Stils, eine Komödie und nahezu perfekte opera buffa – so wird Domenico Cimarosa´s Il matrimonio segreto (Die heimliche Ehe) von 1792 mit liebevoll stereotypisierten Charakteren, basierend auf der italienischen Commedia dell’arte, gepriesen. Giovanni Bertati´s Libretto der heute nur noch selten gespielten Oper beruht auf der britischen Komödie The Clandestine Marriage (1766) von George Colman und David Garrick. Mit viel Liebe zum Detail entwickelt sich eine Figurendynamik mit verschiedenen, effektvoll sich echauffierenden und taktierenden Typen:
Da gibt es einen autoritären, geizigen Bourgeois, seine Tochter, die gegen ihren Willen verheiratet werden soll, einen attraktiven, aber überforderten Liebhaber, einen alten, reichen Adligen auf der Suche nach einer schönen, jungen Braut, eine eifersüchtige und enttäuschte Schwester und eine komische, alte Jungfer, die sich nach einem noch Unwissenden in ihrer unmittelbaren Umgebung verzehrt.
Immer wieder singen Figuren, zeitlich versetzt, ähnliche musikalische Themen und Motive. Schwärmerische Höhen und Melodiebögen werden erklommen. Vieles klingt aber auch ein bisschen wie Gezeter und Gezänk und erinnert an Vogelgezwitscher und Gegacker. Das dachte sich auch der Regisseur Renaud Doucet und siedelte das Geschehen kurzerhand in einem Hühnerhof an. Der Franzose lässt die Handlung in einer alten Farm mit Schwarzweißgravur, gemaltem Hintergrund sowie 3D-Elementen spielen. Auch die Figurenmenagerie zeigt sich inspiriert von Gockeln, Hühnern, Truthähnen, Fasanen und Tauben. Die auftretenden Charaktere stechen in der schwarzweißen Umgebung in fantasievoll ausgestatteten, teils dem 18. Jahrhundert entlehnten Kostümen, die an Formen und Farben verschiedener Geflügelsorten erinnern, hervor. Die Männer tragen Hahnenkämme und Federperücken, die Frauen nach hinten ausladende Reifröcke (Bühne & Kostüme: André Barbe).
Für das Bühnenbild wählte Barbe einen Maßstab, wie er von Geflügel in einer Scheune wahrgenommen werden könnte: Auf dem Boden verteilt liegen überdimensionierte Bücher und Körbe. Rechts steht ein riesiger ausrangierter Stuhl, auf dem sich eine Art Kartonschlafstätte befindet, in dem die „Hennen“ während der Vorführung mal brüten und auch schon einmal Eier legen. Das Hühnermotiv bricht sich immer wieder bahn, es wird mit den Füßen gescharrt und wiederholt gekräht oder gegurrt. Ein Blickfang sind insbesondere zwei Akrobaten, die mehrfach als Tauben oder Dienstboten kostümiert, elegante Saltos oder höchst eindrucksvolle Handstandüberschläge quer über die Spielfläche vollführen.
Das zu Anfang noch sehr eindrückliche Bühnenbild verliert im Verlauf der etwa vierstündigen Vorführung etwas an seinem Reiz, da wenig an Dekor hinzukommt. Das Gürzenich-Orchester Köln vermag den mitunter schillernden Farbenreichtum der Partitur blendend zum Schwingen zu bringen. Auch die Sing- und Darstellerleistungen sind solide. Insbesondere das Damentrio schmückt die leider recht wenig schmeichelhafte Frauenrollen gut. Auch bei den Herren lassen der Bassist Donato di Stefano als Geronimo und Bariton Renato Girolami als Graf Robinson mit Verve, Spielfreude und gesanglich nuancenreichem Ausdruck aufhorchen.
Die Handlung plätschert trotzdem ohne nennenswerte Spannungsbögen dahin. Das leichte und eingängige Verwirr- und Lustspiel – mal sentimental und mal süffig - ist vor allem eines: mäßig amüsant. Domenico Cimarosa wurde vielleicht nicht zu Unrecht bereits zu Lebzeiten als Meister der gediegenen „Mittelmäßigkeit“ gerühmt. Der Hofkomponist Katharinas der Großen in Russland und anschließend Kaiser Leopolds II. am Wiener Hof findet bis heute in Fachkreisen nur verhältnismäßig geringe Beachtung, vielleicht auch das nicht ganz unverdient.
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Anna Palimina als Carolina; Jennifer Larmore als Fidalma und Emily Hindrichs als Elisetta Robinson in Il matrimonio segreto an der Oper Köln | Foto © Paul Leclaire
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Die Übernahme von den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2016 ist nach dem grandiosen Kraftakt von Die Soldaten ein betont entspannter, aber leider recht langatmiger, harmloser und seichter Ausklang für die aktuelle Spielzeit.
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Ansgar Skoda - 27. Juni 2018 ID 10777
IL MATRIMONIO SEGRETO (Staatenhaus Saal 2, 24.6.2018)
Musikalische Leitung: Gianluca Capuano
Inszenierung: Renaud Doucet
Bühne & Kostüme: André Barbe
Licht: Andreas Grüter
Besetzung:
Geronimo, ein reicher Kaufherr … Donato di Stefano
Elisetta, seine Tochter … Emily Hindrichs
Carolina, seine Tochter … Anna Palimina
Fidalma, seine Schwester … Jennifer Larmore
Graf Robinson … Renato Girolami
Paolino, Buchhalter bei Geronimo … Norman Reinhardt
Gürzenich-Orchester Köln
Premiere an der Oper Köln: 24. Juni 2018
Weitere Termine am 27.06. / 01., 05., 07., 13., 15.07.2018
Übernahme einer Produktion der Festwochen der Alten Musik Innsbruck
Weitere Infos siehe auch: http://www.oper.koeln
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