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Premierenkritik

Julius Cäsar

in Ägypten

zu den Händel-Festspielen 2019


Grga Peroš und Vanessa Waldhart in Julius Cäsar in Ägypten zu den Händel-Festspielen Halle 2019 | Foto (C) Theater, Oper und Orchester GmbH, Anna Kolata

Bewertung:    



"Die Kunst erzieht uns", sagte Peter Konwitschny, der für die diesjährige Eröffnung der Händel-Festspiele Julius Caesar in Ägypten inszenierte.

Die Premiere in der Oper Halle war mit viel Hurra aber auch heftigen Buh-Rufen!

„Das Theater müsse etwas in der Gesellschaft bewirken“, hätte Konwitschny von Bertholt Brecht gelernt. „Reifer und klüger und empfindungsfähiger soll sie uns machen, die Kunst.“

Aber warum macht er dann aus Händels Giulio Cesare in Egitto eine deutsche Slapstick-Komödie? Macht es uns wirklich empfindungsfähiger, wenn er uns zum Lachen bringt, weil die Vorkoster vergiftet zu Tode stürzen – auch wenn sie sich wie Figuren aus der Als-die-Bilder-laufen-lernten-Zeit benehmen? Gerade Konwitschny kritisiert zuweilen die Oberflächlichkeit des Publikums, dessen Ignoranz und Arroganz. War diese Produktion dann ein Racheakt von ihm? Man hatte sich entschieden, die Oper in deutscher Sprache aufzuführen, um sie dem Publikum näher zu bringen, um sie verständlicher zu machen!

Das diesjährige Festival steht übrigens unter dem Motto „Händels starke Frauen“. Das sind Cleopatra und Cornelia auf jeden Fall...

*

Konwitschny hatte nun aus der edlen, tragisch-trauernden Pompeo-Witwe Cornelia ein blondes Marylin-Monroe-Gift gemacht. Ihre wunderschönen Arien oder das berührende Lamento im Duett mit Sesto („Son nata a lagrimar“) waren hinter den Pyramiden verschwunden. Oder die facettenreiche Cleopatra, die mit ihren acht Arien die ganze Gefühlspalette abdecken soll - hier wirkte sie wie eine junge und zu Streichen aufgelegte Schülerin. Dabei muss sie bangen, leiden, lieben, siegen und verlieren; in der Inszenierung musste sie ständig im Bikini um die Papp-Palmen und Pyramiden rennen. Dabei hatte Vanessa Waldhart das ganz großartig gemacht! Sextus, eine Kastratenrolle, wurde durch das Kind Benjamin Schrade ersetzt, das ständig „Mutti“ rufend und Schwert fuchtelnd über die Bühne rannte (auch er war sehr gut). Im Verlauf des Abends war er zum mutigen Mörder und Rächer geworden und durfte deshalb im U-Boot mit nach Rom fahren. Das freute das Publikum, und selbst beim zehnten „Mutti“-Ruf gab es immer noch Lacher. Den genusssüchtigen, unberechenbaren, kaltblütigen und opportunistischen Ptolomeo, der nur ein paar Arien hat, mochte Händel wohl schon beim Komponieren nicht. Diese Figur war Konwitschny aber noch am besten gelungen inkl. der Harems-Szene mit der Marylin-Cornelia als Racheengel im Hintergrund.

Die neue deutsche Textfassung von Werner Hintze verhinderte, dass die Sänger mit ihren Arien brillieren. Caesar (Grga Peros) schwächelte ziemlich am Anfang, wurde mit der Zeit aber besser. Großartig Jake Arditti als singender Kopf des Pompejus; er hatte auch einige der Sextus-Arien gesungen. Komik als Brücke zur Tragik oder: Auch Macht vermag es nicht, die Protagonisten davor zu bewahren, Leid und Niederlage zu erfahren.

Die giftgrünen Palmen, das lächerliche Pyramidenlaufen, Cäsars Wiederauferstehen im Plisseerock und Algengirlanden wären alle hinnehmbar gewesen - nur die Originalsprache hätte man beibehalten sollen. Halle ist so stolz auf seinen Händel. Es grenzt an Verrat an ihm, wenn man diese Oper, die für die italienische Sprache geschrieben wurde, in Deutsch aufführt. Der schwere deutsche Text war gar nicht zu bewältigen und hatte alle Verzierungen vor vorneherein ausgeschlossen.

Das Erfolgsteam Konwitschny/Brade hat hier einfach zu viel über die Stränge geschlagen. Wer eine lustige Operette sehen will, geht nicht in Händels markantestes Meisterwerk einer Heldenoper. Aber leichte Kost war es dann schon! Nach der Pause blieben einige Sessel im Parkett trotzdem leer.

Das Händel-Festspielorchester unter Gastdirigent und Händel-Spezialist Michael Hofstetter leistete Großartiges und bekam für seine farbenprächtige und feinfühlige Interpretation des nuancenreichen Meisterwerks viel Applaus.

Der Musikschriftsteller Charles Burney hat Händels Giulio Cesare in Egitto als „eine Oper, die Schönheit aller Art im Überfluss bietet“ bezeichnet. In Halle stand die Musik eindeutig nicht an erster Stelle. Darüber konnte auch das gelungene Duett von Cornelia und Cleopatra („Da uns das Glück belog, ist alle Hoffnung tot, sie kehrt nie mehr zurück“!!), schon vor geschlossenem Vorhang gesungen, nicht hinwegtrösten.



Julius Cäsar in Ägypten zu den Händel-Festspielen Halle 2019 | Foto (C) Theater, Oper und Orchester GmbH, Anna Kolata


*

Der Trost kam tags darauf gleich zweimal: einmal bei der Verleihung des Händel-Preises der Stadt Halle an Prof. Dr. Silke Leopold mit Musikeinlagen durch die Sopranistin Margriet Buchberger und dem Ensemble Il Giratempo - und abends beim Festkonzert mit der großartigen Vivica Genaux im Duett mit Lawrence Zazzo, begleitet von der Lautten Compagney Berlin in der Händel-Halle!
Christa Blenk - 3. Juni 2019
ID 11462
JULIUS CÄSAR IN ÄGYPTEN (Oper Halle, 31.05.2019)
in einer neuen Textfassung von Werner Hintze

Musikalische Leitung: Michael Hofstetter
Inszenierung: Peter Konwitschny
Ausstattung: Helmut Brade
Dramaturgie: Bettina Bartz und Veit Güssow
Licht: Peter Erlenkötter
Besetzung:
Julius Cäsar ... Grga Peroš
Curio ... Robert Sellier
Cornelia ... Svitlana Slyvia
Der tote Pompejus (Partie des Sextus) ... Jake Arditti
Sextus (Sprechrolle) Benjamin Schrade, Fabian Waclawczyk
Cleopatra ... Vanessa Waldhart
Ptolemäus ... Michael Zehe
Achillas ... Ki-Hyun Park
Nirenus ... Maik Gruchenberg
Chor der Oper Halle
Händelfestspielorchester Halle
Premiere war am 31. Mai 2019.
Weitere Termine: 06., 10.05.2019
Eröffnung der Händel-Festspiele 2019


Weitere Infos siehe auch: https://buehnen-halle.de


Post an Christa Blenk

eborja.unblog.fr

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