Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 5

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Premierenkritik

Böhmische

Folklore

und Bauernlist



Die verkaufte Braut an der Oper Leipzig | Foto (C) Kirsten Nijhof

Bewertung:    



Bedřich Smetana komponierte sein populärstes Bühnenwerk, die komische Oper Die verkaufte Braut (Prodána nevěsta) zu einer Zeit, da man sich im heutigen Tschechien zu emanzipieren begann, politisch, kulturell, sprachlich und natürlich auch musikalisch. In seiner heiteren Nationaloper vereint Smetana einiges an Konflikten und zeigt eine scheinbar harmlose dörfliche Idylle, die jedoch so manche Untiefen hat:

Das Paar Hans und Marie darf nicht heiraten, da Marie nach dem Willen ihres Vaters den reichen Bauernsohn Wenzel heiraten soll, zudem ist Hans ein Fremder im Dorf und wurde von seiner Stiefmutter verstoßen. Um die Vermählung der Heiratsunwilligen zu arrangieren, wird der Heiratsvermittler Kezal eingeschaltet, dem Hans scheinbar skrupellos seine Braut verkauft. Doch am Ende gibt es doch eine Liebesheirat und das ganze Dorf kann feiern.

Bis heute ist das Stück ein Erfolgsgarant und feierte nun auch Premiere an der Oper Leipzig. Gesungen wird nicht auf Tschechisch, sondern auf Deutsch. Leider wird in Leipzig die verstaubte Uralt-Übersetzung von Max Kalbeck verwendet, in der teilweise schlimmes schwülstiges Operndeutsch wuchert und die (beispielsweise im Vergleich zur Librettoübersetzung von Kurt Honolka oder Walter Felsenstein) inhaltlich sehr weit vom Original entfernt ist oder es teilweise ganz verfälscht. Frei nach dem Motto "Reim´ dich oder ich fress´ dich" werden dort Reime aneinandergereiht, die gestelzt und unnatürlich klingen, ohne Rücksicht auf den tschechischen Originaltext, eben Operndeutsch.

Die herrliche Musik, mit der Smetana den Traditionen seiner Heimat huldigt, besticht vom ersten Takt an: Bereits die fulminante Ouvertüre (eine fiese Probespielstelle) mit ihrem schwungvoll-lebendigen Thema ist geprägt von der böhmischen Volksmusik und vereint Volkstänze, heiter tobende als auch innige Melodien.

Christoph Gedscholds Dirigat ist handwerklich solide und präzise, doch ohne jeglichen slawischen Schwung und Biss, es fehlt der gewisse Esprit, den es für Smetanas Musik braucht. Das Gewandhausorchester folgt den teils forschen Tempi Gedscholds ohne Probleme, doch eben leider ohne den nötigen Verve.

Szenisch bleibt Regisseur Christian von Götz der Tradition insofern treu, als dass er gar nicht erst versucht, die Inszenierung völlig gegen den Strich zu bürsten, sondern die Handlung lediglich aus dem 19. in den Beginn des 20. Jahrhunderts verlagert. Mit übertriebenen, bunten Folklore-Kostümen (Sarah Mittenbühler), schrägen Perücken und viel Klamauk zeigt er eine hübsch-harmlose Dorfathmosphäre mit allerhand komischen Typen. Für die Ortswechsel zwischen Wirtshaus, Dorfplatz oder Maries Stube nutzt Dieter Richter die Drehbühne, was der Dynamik der Handlung und Musik zugute kommt. Dazwischen eine Wendeltreppe, deren Wände mit den Fotos von Kezals "Vermittlungen" bebildert sind. Allerdings kommen in der Inszenierung die erwähnten Konflikte kaum zum Tragen, alles ist nett, harmlos und bunt, mehr nicht. Die tragischen Tiefen des Librettos verschwimmen unter der kunterbunten Maskerade und der vielen Schminke, zurück bleibt ein biederer Bauernschwank mit Zirkusathmosphäre.

Magdalena Hinterdobler ist eine temperamentvolle Marie und singt ihr Rollendebüt mit lyrischem Sopran, warm und bewegend. Ihr zur Seite steht Patrick Vogel als treuer, aufrechter Hans mit schöner und schlanker Höhe. Als Kuppler Kezal sticht Sebastian Pilgrim mit markantem, fokussierten Bass darstellerisch wie auch stimmlich heraus und spielt die dankbare Rolle mit viel Komik und Präsenz. Sven Hjörleifsson macht aus der undankbaren Rolle des täppischen, stotternden Wenzel das Beste, agiert überzeugend und singt ihn mit hellem, sicheren Tenorbuffo.

Fazit: Heiter-harmloses Dorfleben gewandet in absurd-bunte Folklore ohne Tiefgang mit einer altbackenen Übersetzung und solider bis guter Besetzung.



Die verkaufte Braut an der Oper Leipzig | Foto (C) Kirsten Nijhof

Eva Hauk - 17. Juni 2019
ID 11503
DIE VERKAUFTE BRAUT (Oper Leipzig, 15.06.2019)
Musikalische Leitung: Christoph Gedschold
Inszenierung: Christian von Götz
Bühne: Dieter Richter
Kostüme: Sarah Mittenbühler
Licht: Raoul Brosch und Gabor Zsitva
Choreinstudierung: Alexander Stressin
Dramaturgie: Christian Geltinger
Besetzung:
Marie ... Magdalena Hinterdobler
Hans ... Patrick Vogel
Kezal ... Sebsatian Pilgrim
Wenzel ... Sven Hjörleifsson
Kruschina ... Franz Xaver Schlecht
Kathinka ... Sandra Maxheimer
Micha ... Jean-Baptiste Mouret
Agnes ... Sandra Janke
Esmeralda ... Bianca Tognocchi
Zirkusdirektor ... Martin Petzold
Muff ... Jakob Kunath
Chor der Oper Leipzig
Gewandhausorchester Leipzig
Premiere war am 15. Juni 2019.
Weitere Termine: 23., 30.06. / 25.08., / 01., 28.09. / 06.10. / 16.11.2019


Weitere Infos siehe auch: https://www.oper-leipzig.de


Post an Eva Hauk

Premierenkritiken



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:







MUSIK Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BAYREUTHER FESTSPIELE

CASTORFOPERN

CD / DVD

INTERVIEWS

KONZERTKRITIKEN

LEUTE MIT MUSIK

LIVE-STREAMS |
ONLINE

NEUE MUSIK

PREMIERENKRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski



Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal




Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)