Liebe,
Ehre und
Eifersucht
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Cavalleria rusticana / Luci mie traditrici an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus
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Bewertung:
Eine wegen der Coronabedrohung verschobene ungewöhnliche Kombination von zwei Kurzopern, der Generalmusikdirektor, dem diese Verknüpfung eine weitere Gelegenheit liefert, seine Universalität unter Beweis zu stellen, höchstselbst am Pult, eine angesehene Regisseurin mit allerdings geringer Opernerfahrung und ein, nicht zuletzt wegen seiner engen Zusammenarbeit mit Andrea Breth, nicht minder angesehener Bühnenbildner: was will man mehr?
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Luci mie traditrici kehrt nach 22 Jahren fast an den Ort seiner Uraufführung zurück. Der Zweiakter von Salvatore Sciarrino kam 1998 in Schwetzingen zur Welt und erlebte vor zwölf Jahren bei den Salzburger Festspielen eine exzellente Inszenierung durch Rebecca Horn, die für den kurz zuvor gestorbenen Klaus Michael Grüber eingesprungen war.
Davor: Pietro Mascagnis Opernhit Cavalleria rusticana. Das Stuttgarter Bühnenbild für beide Opern von Martin Zehetgruber zeigt eine breite schräge Treppe, die ins Nirgendwo führt. Drumherum ein schäbiger Betonbunker mit Graffiti, eine Seelenlandschaft des Ausgestoßenseins und der Einsamkeit. Männer schreiten in der Cavalleria langsam über die Bühne. Langsamkeit prägt die Aktionen, wenn man sie denn so nennen will, des Abends. Bei Sciarrino sitzen die Blechbläser hinten vor der Betonwand, bei Mascagni singt der Chor vom dritten Zuschauerbalkon herab. Wenn die Drehbühne die Hinterseite der Treppe frei gibt, erstmals beim Intermezzo sinfonico der Cavalleria, sieht man einen Wald von verwelkten Zimmerpflanzen.
Was die beiden Opern über ein Jahrhundert hinweg verbindet sind die thematischen Stichwörter Liebe, Ehre und Eifersucht. Das Libretto von Luci mie traditrici, das auf einem barocken Drama beruht, scheint sprachlich gar nicht so weit von der Formelhaftigkeit des 19. Jahrhunderts entfernt zu sein. Regisseurin Barbara Frey verzichtet auf äußerliche Effekte. Die Spannung geht, namentlich bei Sciarrino, nicht vom Bühnengeschehen, sondern von der durchgängig leisen Musik aus, von den minimalen Crescendi und Wiederholungen, die Cornelius Meister fabelhaft herausarbeitet. In der Fassung für Kammerorchester, die der 27jährige Komponist Sebastian Schwab für diese Aufführung der Cavalleria rusticana erarbeitet hat, befremdet weniger die räumliche Anordnung der Instrumentalisten als die Transkription ganzer Strecken für Klavier, das vom Dirigenten, einem erfahrenen Pianisten, selbst gespielt wird. Das kleine Ensemble der Sängerinnen und Sänger ist durchweg erstklassig. Mit ihm verteidigt die Stuttgarter Oper ihren Ruf. Jede Hervorhebung einzelner Namen wäre ungerecht.
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Cavalleria rusticana / Luci mie traditrici an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus
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Thomas Rothschild – 12. Oktober 2020 ID 12527
CAVALLERIA RUSTICANA / LUCI MIE TRADITRICI (Staatsoper Stuttgart, 11.10.2020)
Musikalische Leitung: Cornelius Meister
Regie: Barbara Frey
Bühne: Martin Zehetgruber
Kostüme: Bettina Walter
Chor: Manuel Pujol
Dramaturgie: Miron Hakenbeck und Barbara Eckle
Licht: Alexander Koppelmann
Besetzung:
Santuzza ... Eva-Maria Westbroek
Turiddu ... Arnold Rutkowski
Lucia ... Rosalind Plowright
Alfio ... Dimitris Tiliakos<
Lola ... Ida Ränzlöv
Gräfin Malaspina ... Rachael Wilson
Graf Malaspina ... Christian Miedl
Ein Diener ... Elmar Gilbertsson
Der Gast / Stimme hinter dem Vorhang ... Ida Ränzlöv
Staatsopernchor Stuttgart
Staatsorchester Stuttgart
Premiere wam am 11. Oktober 2020.
Weitere Termine: 18., 20., 24.10.2020
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-stuttgart.de
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