RIAS Kammerchor
Justin Doyle
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Bewertung:
Gestern Abend gab es eines der schönsten Chorkonzerte, die ich je erleben durfte.
Der RIAS Kammerchor beglaubigte - nach fünfmonatigem, behördlich angeordneten Verstecktsein (Stichwort: Covid 19, Warnschild: Aerosolwolken im Anflug) - seine physische Präsenz in der Gestalt seiner im weiten Rund des Großen Saales der Philharmonie Berlin großzügig aufgestellten und sich nach und nach "vermischt" habenden 34 Sängerinnen und Sänger. Seine Wiedersehensfeier taten er und Justin Doyle, sein Leiter, mit zehn Werken oder Werkausschnitten zwischen Renaissance und Frühbarock bestücken - ja und wer befürchtet haben wollte, dass sein standortliches Auseinandergezerrtsein (Stichwort: Abstandsregeln) seine sängerische Qualität in irgendeiner Weise beeinträchtigt haben könnte, wurde im Verlauf der manifesten Chorstunde selbstredend eines Besseren belehrt; sein Aufeinanderabgestimmtsein, seine Übereinstimmungen, seine Einzel- als wie Gruppenstimmenqualität waren 1 A wie eh und je.
Kurzum: Ein Hohefest der Superlative!!
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Singende Mönche, Frankreich 14. Jahrhundert | Bildquelle: berlinerfestspiele.de
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Die Konzertdramaturgie: perfekt!
Vom einstimmigen bis zum sechszehnstimmigen Gesang reichte die angebotene Palette.
Die 10 Sopranistinnen des Chors begannen mit dem Hymnus O Virtutis Sapientiae von Hildegard von Bingen; himmlisch.
Dann gesellten sich die jeweils 8 Tenöre sowie Bässe in die Runde und ließen Orlando di Lassos zweistimmige Motette Fulgebunt justi erklingen; mehr und mehr erkräftigend.
Erst ab der dritten Darbietung (Gilles Binchois' dreistimmige Sequenz zum Pfingsthymnus Veni creator spiritus) war der Gesamtchor, also auch die bis dahin noch nicht gesungen habenden Altistinnen, zu sehen und zu hören; großartig, fundamental.
Zwischen den Einzeldarbietungen tat dann Martin Baker auf der großen Schuke-Orgel improvisieren, meistens "merkte" er sich hierzu Hauptmotivisches oder Markantes aus vorangegangenen Musiken - das verschaffte den Choristinnen sowie Choristen jeweils kurze Atem- und Verschnaufpausen.
Auch zwei der Lieblingsstücke Justin Doyles, nämlich die beiden Agnus Dei aus Palestrinas Missa Brevis, kam genauso wie das hochdramatisch theatralisierte Responsorium Tristis est anima mea von Gesualdo zu Gehör.
Die Motette Unser Leben ist ein Schatten (9-stimmig und 2-chörig) von Johann Bach entpuppte sich als mein persönliches Hör-Highlight, in ihr gab es auch so herrlich abgehobene und wahrheitliche Verse wie z.B. den: "...wir allhier keins Bleibens han,/ müssen alle davon, gelehrt, alt oder schön,/ müssen alle davon." Wie wahr!
Das Ganze schloss mit Antonio Caldaras Crucifixus (zu 16 Stimmen); kurz & schmerzlos!!
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Beifall ohne Ende, und es wollte/ sollte eigentlich nicht aufhören...
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Andre Sokolowski - 17. September 2020 ID 12468
MUSIKFEST BERLIN (Philharmonie Berlin, 16.09.2020)
Hildegard von Bingen (1098-1179): O Virtus Sapientiae, Hymnus für Frauenstimmen
Orlando di Lasso (1532-1594): Fulgebunt justi, Motette zu zwei Stimmen
Giles Binchois (um 1400-1460): Veni creator spiritus, Sequenz zu drei Stimmen über den Pfingsthymnus
William Byrd (1539/40 oder 1543-1623): Sanctus, aus derMesse zu vier Stimmen
Giovanni Pierluigi Palestrina (um 1525-1594): Agnus Dei I & II, aus der Missa Brevis
Carlo Gesualdo da Venosa (1566-1613): Tristis est anima mea, Responsorium zu sechs Stimmen
John Sheppard (um 1515-1558): Libera nos II, Antiphon zu sieben Stimmen
Tomás Luís de Victoria (um 1548-1611): Ave Maria, Motette für zwei vierstimmige Chöre
Johann Bach (1604-1673): Unser Leben ist ein Schatten, Motette zu neun Stimmen in zwei Chören
Antonio Caldara (1670-1736): Crucifixus zu 16 Stimmen
Orgelimprovisationen
Martin Baker, Orgel
RIAS Kammerchor
Dirigent: Justin Doyle
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/de/musikfest-berlin/start.html
http://www.andre-sokolowski.de
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