Klangforum Wien
Emilio Pomàrico
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Bewertung:
Das Konzert ist der Auftakt des Rebecca Saunders-Portraits beim MUSIKFEST BERLIN 2020. Schon viele Jahre wird die britische Komponistin in den führenden Konzerthäusern der Welt und bei allen wichtigen Musikfesten aufgeführt. Die bisherige Krönung ihrer Karriere war der Siemens Musikpreis 2019. Dieses spezielle Porträt mit der Aufführung von 16 ihrer Werke ist eine weitere Fortsetzung ihrer Popularität. Saunders studierte nach ihren Studien in England von 1991 bis 1994 beim Wolfgang Rihm in Karlsruhe. Im Gegensatz zu ihrem vielgerühmten Lehrer beschäftigt sich Saunders stetig und seit Beginn ihres Schaffens mit den abstrakten Eigenschaften der Musik. Klangereignisse werden weitgehend ohne narrative Zusammenhänge organisiert. Die Musik lebt von sorgfältig inszenierten Spannungen und Kontrasten.
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Das Stück Flesh für Akkordeon und rezitierende Stimme - komponiert für Krassimir Sterev - fällt da etwas aus dem Rahmen. Der bulgarische Akkordeonist absolvierte seine musikalische Ausbildung am Musikgymnasium von Plovdiv und studierte anschließend in Graz. Seit 2003 ist Sterev Mitglied beim Klangforum Wien. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit der Erweiterung des Akkordeon-Repertoires. Zahlreiche zeitgenössische Komponisten wie Bernhard Lang, Olga Neuwirth, Aureliano Cattaneo, Chaya Czernowin, Rebecca Saunders haben Werke für ihn komponiert. In Flesh kann Sterev alles geben: sirenenhafte schrille Läufe werden aus dem Instrument gepresst, stammelnd, wispernd und schreiend rezitiert er die von Saunders vorgesehenen Texte. Das zweite Stück schließt sich ohne Pause direkt an. Sterev bewegt sich nun im Raum und umkreist die Spieler am Klavier und Percussion. Das Klavier wird weitgehend, ohne die Tasten zu benutzen, direkt über die Saiten stimuliert. Flimmernde Klangteppiche, welche durch das schrille Akkordeon immer wieder durchbrochen werden.
Der finnische Pianisten Joonas Ahonen hat die Ehre Saunders neues Stück to an utterance – study uraufzuführen. In dem Stück werden technisch äußerst anspruchsvoll Glissandos aufeinandergetürmt. Ahonen trägt Handschuhe mit freien Fingern. Kann er so die Glissandos besser erzeugen? Vom Duktus sehr dunkel lebt die Komposition von einer ausgefeilten Dramaturgie von auf- und abschwingenden Aktionen. Ahonen wurde 2011 Mitglied des Klangforum Wien, nur wenige Jahre nach Abschluss seines Studiums an der Sibelius Akademie. Ein Pianoakrobat für zeitgenössige Musik und die richtige Wahl für diese Uraufführung.
Im abschließenden Stück Scar arbeitet Saunders hauptsächlich mit extremen Gegensätzen. Das Ensemble ist in drei Gruppen aufgeteilt: Bläser und Streicher, Percussion und Resonanz (inklusive Akkordeon und E-Gitarre) die dritte Gruppe mit u.a. zwei Schlagzeugen. Klangaktionen für die einzelnen Gruppen bewegen sich durch den Raum und werden mehr und mehr überlagert. Emilio Pomàrico am Pult schickt die Aktionen in verschiedene Richtungen, ein Raumklang entsteht. Solistische Klangpaletten kontrastieren das Geschehen und setzen Akzente.
Insgesamt ein markantes Konzert und ein sehr schöner Auftakt für das Rebecca Saunders-Portrait.
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Klangforum Wien beim MUSIKFEST BERLIN am 4. September 2020 | Foto (C) Monika Karczmarczyk / Berliner Festspiele
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Steffen Kühn - 6. September 2020 ID 12439
MUSIKFEST BERLIN (Philharmonie Berlin, 04.09.2020)
Rebecca Saunders: Flesh for solo accordion with recitation (2018)
- Sole, Trio in F-sharp for mobile accordion, percussion and piano (2019)
- to an utterance – study (2020) for solo piano (UA)
- Scar for 15 solists and conductor (2018/19)
Joonas Ahonen, Klavier
Krassimir Sterev, Akkordeon
Klangforum Wien
Dirigent: Emilio Pomàrico
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/de/musikfest-berlin/start.html
Post an Steffen Kühn
http://www.hofklang.de
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