Boston Symphony Orchestra
Andris Nelsons
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Bewertung:
Das MUSIKFEST BERLIN ist ja gewissermaßen die Champions League der Klassik-Klubs, freilich mit dem Unterschied, dass am Ende keiner triumphierend mit einer Silberschüssel nach Hause rennt. Vielmehr geben sich lokale, nationale und internationale Spitzenorchester die Klinke in die Hand, wodurch wir in den luxuriösen Genuss kommen, in dreieinhalb Wochen ganz andersartige Klangkulturen kennenzulernen. Ein Privileg, keine Frage.
Läge jetzt theoretisch immer dasselbe Werk auf dem Pult, wären die Unterschiede wohl noch frappierender herauszuhören. Ein völlig absurdes Gedankenspiel, was aber schnell Realität werden kann, wenn man sich weder den Besuch einer Legende (James Levine, Staatskapelle Berlin, 31.10.2017) noch eines der rar gesäten Christian Thielemann-Dirigate in der Semperoper noch das erste Date mit Bostons Symphony Orchestra durch die Lappen gehen lassen will. Das Ergebnis: Dreimal Mahlers Dritte, drei verschiedene Orchester, drei verschiedene Lesarten. Innerhalb von zehn Monaten, wohlgemerkt.
Die stärksten Kontraste liegen zwischen Levines Interpretation und der gestrigen, pardon, Zurichtung durch Andris Nelsons: Wo ersterer behutsam Weltschmerzschluchten aufstieß und den (auch eigenen) Abschied ins schier Unendliche zelebrierte, ließ letzterer keinen spätromantischen Stein auf dem anderen. Bei Nelsons hat Mahler den Weg zur Moderne längst hinter sich gebracht und klingt eher nach spätem Schostakowitsch. Mit weniger martialischem Druck hätte das vielleicht sogar funktionieren können, doch Nelsons mag keine Ausrufezeichen setzen - es müssen schon ganze Pfähle sein, die in den Partitur-Boden gerammt werden. Hinzu gesellt sich eine ohrenbetäubende Lautstärke, die der Architektur des Stückes abträglich ist. So zerfallen ganze Passagen in viele kleine Bröckchen. Dem 2. Satz geht jegliche tänzerische Leichtigkeit ab, dem 6. und letzten mangelt es nach all dem militärischen Getöse schlichtweg an Glaubwürdigkeit.
Auch das Boston Symphony Orchestra hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck, vor allem beim Blech. Hingegen klingt das, was man von der in Richtung Block A singenden Susan Graham in Block F noch hören kann, warm und gefühlvoll. Der hervorragend einstudierte Damen- und Kinderchor des Gewandhauses verzückt durch seine ausgewogene und harmonische Homogenität.
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Heiko Schon - 7. September 2018 ID 10896
MUSIKFEST BERLIN (Philharmonie Berlin, 06.09.2018)
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 3 d-Moll
Susan Graham, Alt
Gewandhauskinderchor
Einstudierung: Frank Steffen Elster
Damen des Gewandhauschores
Einstudierung: Gregor Meyer
Boston Symphony Orchestra
Dirigent: Andris Nelsons
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de
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