Berliner Philharmoniker
Sir George Benjamin
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Bewertung:
Maurice Ravel agierte am Ende der Spätromantik: farbige Orchesterklänge, eine deutliche Harmonik und die Benutzung des Kontrapunktes prägten die Ästhetik.
Am Ende dieser Epoche wurde durch die Fortschreitung der Harmonik oft die Grenze der Tonalität erreicht, bis Arnold Schönberg die letzte Konsequenz zog und das tonal gegründete System schließlich auflöste.
Pierre Boulez, György Ligeti und George Benjamin, die drei anderen Komponisten des gestrigen Abends haben sich intensiv damit auseinandergesetzt, was man an die Stelle des tonal gegründeten Systems setzten sollte: „Das Werk ist nur dann gültig, wenn das technische Anliegen sich in ein ästhetisches Ziel, in einen Ausdruck verwandelt“, sagte Boulez einmal im Gespräch mit Célestin Deliège.
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Boulez schöpft die Idee zu Cummings ist der Dichter aus der grafischen Vorlage des Gedichtes von Edward Estlin Cummings. Die 16 Solostimmen agieren klanglich nahezu autark, sie können sich oft nur an ihren Stimmgabeln orientieren. Die Silben des Gedichtes wandern durch die Stimmen und werden in den Instrumenten fortgetragen. Durch Überlagerungen und Umstellungen entstehen die Momente, welche das Stück prägen. Die drei Harfen stützen die Aktionen durch sphärische Flächen. Die Sängerinnen und Sänger vom ChorWerk Ruhr agieren sicher und verschmelzen oft mit dem Orchesterklang.
György Ligeti treibt in Clocks and Clouds die Auflösung von gesanglichen Assoziationsketten noch weiter. Die zwölf Frauenstimmen singen in der internationalen phonetischen Lautsprache, jetzt sind die Stimmen nur noch Klang, jeglicher gestischen Momente befreit. Ligeti erzeugt ein hypnotisches Oszillieren. Kontinuierlich agieren Stimmen und Orchester miteinander. Die periodischen, repetiven Ereignisse arbeiten mit einer Unschärfe, welche Hochspannung erzeugt und den Zuhörer in einen Sog hineinzieht, vergleichbar dem Sog, welcher die Harmonik in der Spätromantik auslöste.
George Benjamin fühlt sich sehr wohl in dieser Welt und führt die ausgezeichneten Musiker der Berliner Philharmoniker sicher durch komplexen Strukturen. / Sein eigenes Stück Palimpsests am Ende des Programms kann sich im Gegensatz zu Boulez und Ligeti nur auf das Orchester stützen. Rhythmische Texturen erinnern an seinen Lehrer Oliver Messiaen. Das Stück steigert kaskadenartig die Dynamik und entlädt sich in extremen Orchester Tuttis. Das Stück ist mit 17 Bläsern besetzt, dem gegenüber nur 16 Streicher. Eine tolle Vorlage für die exzellenten Bläser der Berliner Philharmoniker.
Maurice Ravels Konzert für die linke Hand für Klavier und Orchester sorgt in diesem Programm für Kontrast und Abwechslung. Cédric Tiberghien am Klavier schafft (mit nur einer Hand) eine vollwertige Klavier Textur. Aus den spätromantischen Aktionen schimmern jazzige Flächen, und hier fühlt sich der junge französische Pianist besonders wohl. Seine Zugabe (dann mit zwei Händen) wird begeistert aufgenommen – tolles Konzert im ausverkauften Großen Saal der Berliner Philharmonie.
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Sir George Benjamin | (C) Javier del Real, Teatro Real
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Steffen Kühn - 9. September 2018 ID 10899
MUSIKFEST BERLIN (Philharmonie Berlin, 08.09.2018)
Pierre Boulez: Cummings ist der Dichter für 16 Solostimmen und Instrumente, nach einem Gedicht von Edward Estlin Cummings
Maurice Ravel: Klavierkonzert für die linke Hand D-Dur
György Ligeti: Clocks and Clouds für 12-stimmigen Frauenchor und Orchester
George Benjamin: Palimpsests
Cédric Tiberghien, Klavier
Chorwerk Ruhr
Choreinstudierung: Matilda Hofman
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Sir George Benjamin
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de
Post an Steffen Kühn
http://www.hofklang.de
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