Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2021
|
Ein anderer
Boris
Godunow
|
Julie Goussot (als Axinia) und Sebastian Songin (als Bogda) in Boris Goudenow von Johann Matthesen bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik | Foto (C) Birgit Gufler
|
Bewertung:
1825 schrieb Alexander Puschkin das Drama Boris Godunow. 1870 komponierte Modest Mussorgski seine auf diesem Drama basierende Oper. Aber schon 1710 hat der Hamburger Komponist Johann Mattheson (1681-1764) zu einem eigenen Libretto eine Oper geschrieben, die Elemente aus der gleichen historischen Epoche, in sehr freier Adaption, zur Grundlage hat. Sie erzählt die Vorgeschichte der Fabel, die wir von Puschkin, Mussorgski und auch von Schiller kennen. Ein „falscher Dmitri“ kommt noch nicht vor. Boris Goudenow oder Der durch Verschlagenheit erlangte Thron oder Die mit der Neigung glücklich verknüpfte Ehre wurde allerdings erst fast dreihundert Jahre nach ihrer Entstehung, 2005, uraufgeführt.
Die Regisseurin Jean Renshaw verlegt die Handlung in eine unbestimmte Gegenwart, in der es zwar Telefone gibt, aber keine Handys. Zu Beginn versammelt sich das Ensemble wie zu einer Aufsichtsratssitzung hinter einem, fast die ganze Bühnenbreite einnehmenden, langen Tisch auf nüchternen modernen Stühlen. Anna Ignatieva hat es, nicht ohne Witz, in Fantasiekostüme aus unterschiedlichen Epochen gekleidet. Sein Spiel verselbständigt sich, will nicht den Text bloß illustrieren.
Musikalisch hebt die dreistündige Oper eher lehrbuchartig an, um dann in der zweiten Hälfte mit eingängigen kompositorischen Ideen zu überraschen, die freilich – wie anders? – den strengen Konventionen des Barock folgen. Andrea Machiol dirigiert das italienische Concerto Theresia und die jungen internationalen Vokalsolisten [Namen s.u.].
Zu den Verdiensten der INNSBRUCKER FESTWOCHEN DER ALTEN MUSIK gehört, dass sie, wenn nicht ganz neu entdeckte, so doch kaum bekannte Opern in hoher interpretatorischer Qualität aufführen. Das gilt auch für Johann Matthesons Boris Goudenow. Ins Repertoire wird es dieser Fund nicht schaffen. Aber dass sich ihm ein spezialisiertes Festival widmet, ist ebenso lobenswert wie die Projektion von nicht ganz erstrangigen frühen Filmen auf Stummfilmfestivals. Anerkennung (und Förderung aus öffentlichen Töpfen) gebührt allen, die sich nicht auf das bereits Gängige und daher Verkäufliche beschränken.
|
Olivier Gourdy als Boris Goudenow von Johann Matthesen bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik | Foto (C) Birgit Gufler
|
Thomas Rothschild - 25. August 2021 ID 13095
BORIS GOUDENOW (Haus der Musik Innsbruck, 24.08.2021)
Musikalische Leitung: Andrea Marchiol
Regie & Bühnenbild: Jean Renshaw
Mitarbeit Bühnenbild: Lisa Moro
Kostüme: Anna Ignatieva
Licht: Lichtdesign
Mit: Flore van Meerssche, Julie Goussot, Alice Lackner, Joan Francesc Folqué Giménez, Eric Price, Olivier Gourdy, Sreten Manojlović, Yevhen Rakhmanin und Oliver Fobe
Concerto Theresia
Premiere war am 19. August 2021.
Eine Produktion der Innsbrucker Festwochen für Alte Musik | Barockoper:Jung
Weitere Infos siehe auch: https://www.altemusik.at/
Post an Dr. Thomas Rothschild
Innsbrucker Festwochen der Alten Musik
Konzerte
Musiktheater
ROTHSCHILDS KOLUMNEN
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|