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DER RING DES NIBELUNGEN am Landestheater Linz

Halbleer,

halbgar,

halbherzig



Götterdämmerung am Landestheater Linz: Elena Nebera | Foto © Karl Forster

Bewertung:    



Das Rheingold

Mann, mann, mann: So ein Vorabend kann sich aber ganz schön in die Länge ziehen! Wagners Ring erzählt die Geschichte der Welt - und die ist eben manchmal nur so mittel: mittelmäßig, mittelprächtig. Nach den 136 Takten öffnet sich ein schmaler Schlitz: Zwei Balken - ein obereres und unteres Augenlid - ziehen sich auseinander und legen "das Auge" frei. Wir lugen und linsen hindurch und können nun den Rheintöchtern (steht auch stimmlich an deren erster Stelle: die Woglinde von Claudia Braun-Tietje) beim Herumspritzen mit Wasserpistolen sowie Alberich (nicht ganz textsicher, aber souverän: Bjørn Waag) beim Duschen zusehen.

Überspringen wir die Frage, wie beides auf dem Grunde des Rheins funktionieren mag, und schauen lieber bei den Göttern vorbei. Diese haben ihre nordische Mythenwelt hinter sich gelassen und hocken nun in einem Beduinenzelt, irgendwo im Alten Orient. Hier liegt Wolf Wotan auf dem Schafspelz, um ihn herum scharen sich Donner & Co. als morgenländisch bis mongolisch anmutende Kriegsherren. Die Aussage ist klar: Der Mann ist das Problem! Wenn die Riesen Freia und ihre "Äpfel" (die Regie schickt kleine Knirpse an die Rampe) mitnehmen, dreht es sich auch kurz um die alternde Gesellschaft. Die globalen Themen Menschenhandel und Kinderarbeit werden ebenfalls angerissen, aber sie alle verpuffen im Nichts, weil das Ganze doch arg statisch serviert wird. In puncto Bewegung von Figuren können, sollen, müssen noch einige Kohlen drauf. Sängerisch ist vom lispelnden Loge (Michael Bedjai) bis zur epochalen Erda (Bernadett Fodor) jedes Niveau vertreten.

Ein Einfall ist wirklich witzig: Weil es mit der Liebe nicht geklappt hat, kauft sich Alberich sogleich ein rundes Aquarium - und drei Goldfische.



Das Rheingold am Landestheater Linz: Oskar Hillebrandt, Valentina Kutzarova, Gotho Griesmeier und Mari Moriya | Foto © Karl Forster


Die Walküre

Der stürmisch peitschende Regen in Linz ist die ideale Einstimmung zu Wagners Opening. Eigentlich wird ja immer von der Bühne nach draußen übertragen. Heute wäre es andersherum passender. Andererseits reagiert der Berliner seit Guy Cassiers Ring-Debakel an der Staatsoper allergisch auf Projektionen, Pixeleien und Videospiele in der Endlosschleife. Im Rheingold liefen einige Filmchen während der Szenenwechsel, heute halten sich Uwe Eric Laufenberg und Falko Sternberg (Video) wohltuend zurück. Macht das die Walküre besser? Nein, leider nicht. Abgesehen davon, dass die Charaktere weiterhin nach Schema F geführt werden und einige Sänger an der Rampe Wurzeln schlagen, versäumt es die Regie einen Bezug auf die Ausstattung zu nehmen. Warum findet der zweite Aufzug in einem Militärzelt statt? Was sollen die Anspielungen auf den Zweiten Weltkrieg? Laufenberg behauptet, beglaubigt jedoch nicht. Oder wie Neuenfels einmal gesagt hat: Eine Inszenierung wird nicht dadurch zeitgenössisch, indem man statt einer Kutsche einen Porsche hinstellt.

Zwei Szenen gibt es, die auch handwerklich schlecht gelöst sind: Während der Todesverkündung kommen die Möbelpacker, werden Tische und Stühle von einer Ecke in die andere geschleppt, und im dritten Aufzug, Szene zwei, flehen die Walküren Wotan an, nicht so hart zur Schwester zu sein - und sammeln nebenher schon mal die Leichen(teile) der Helden ein. Schließen wir mit etwas Positivem: Sonja Gornik singt eine gefühlvoll glühende Sieglinde, Dominik Nekel zeigt als quarzig timbrierter Hunding, wo der Bühnenhammer hängt. Zudem sind die Hojotoho's von Elena Nebera sehr schön.



Die Walküre am Landestheater Linz: Inna Savchenko, Gerd Grochowski, Karen Robertson und Statisterie | Foto © Karl Forster


Siegfried

Im Hause Mime/Jung-Siegfried geht es mit der Stimmung rapide bergab. Dafür steigt bei uns die Laune, vor allem deshalb, weil das Hirn endlich was zu tun bekommt. Der Bär ist ein luftig bekleideter Kerl mit sexy Iro; Siggy liebt sein Tablet mehr als den Ziehvater, und dieser wiederum ist mit dem Doppelleben als schweißender Papa und strickende Mutti völlig überfordert. Matthäus Schmidlechner liefert mit seinem Mime das sing- und spielfreudigste, schlüssigste - kurzum: stimmigste - Porträt des Abends ab (wenn nicht gar des ganzen Rings). Gesanglich gibt es heute keinen einzigen Ausfall: Lars Cleveman trumpft als drahtig-agiler Siegfried mit kernigen Höhen auf; Bjørn Waag ist ein lautstark schmetternder, manchmal zum Overacting neigender Alberich; Bernadett Fodor verführt mit ihrem zutiefst virtuosen, sinnlich-satten Alt; Elena Nebera fädelt herrlichste Vokal-Perlen auf (Konsonanten: was ist das?), und Gerd Grochowski spielt nicht nur einen staatsmännisch-kultivierten Wanderer, sondern singt ihn auch so, mit elegantem, leicht knurrigem Bassbariton.

Die Regie scheint erwacht zu sein - und will plötzlich zu viel auf einmal. Generation Videospiel, Cyber-Attacken, Medienschelte, die Gefahren von visueller Reizüberflutung im Alltag, Unterschicht vs. Oberschicht, Weltpolitik und die bösen, bösen Banken: All das versucht Laufenberg thematisch unter einen Hut zu quetschen. Scheinbar sollen uns die Augen zugekleistert werden, bis wir nicht mehr durchblicken. Man könnte dieses Konzept sicherlich scharfsinniger, gewiefter und auch optisch eindrucksvoller in Szene setzen, aber es ist besser als gar nix.



Siegfried am Landestheater Linz: Matthäus Schmidlechner, Lars Cleveman | Foto © Karl Forster


Götterdämmerung

Brünnhilde und Siegfried bewohnen mittlerweile einen schmucken Glaskasten mit Schiebetüren. Der Held beginnt seinen Tag mit der Rasur und einem Verlängerten - und verschwindet danach erneut ins Schlafgemach. Die Regie schaltet wieder einen Gang herunter, mitunter sogar in den Leerlauf. Ein stummer Wotan kommt des Wegs, und zwar immer dann, wenn Wagner von ihm singen lässt. Der Beamer läuft und läuft, der Spannungsbogen hängt (außer im zweiten Aufzug) und Laufenberg gibt den Arrangeur, liefert Theater vom Reißbrett. Warum er ausgerechnet die vom Weltenbrand verkohlte und mit einem Fernrohr hantierende Gutrune als Schlussbild wählt, bleibt ein Rätsel, weil die Figur bis dahin eine völlig untergeordnete Rolle spielt.

Der einzig interessante Ansatz ist, dass Siegfried mit Vorsatz handelt. Er schließt mit den Gibichungen einen Vertrag, eine Art Zweckbündnis. An Gutrune, die er nach dem Drink mit einem Handkuss abspeist, ist er jedenfalls nicht die Bohne interessiert. Am Ende hilft das freilich wenig: Inszenatorisch ist dieser Ring bestenfalls Durchschnittsware.

Die Herrenriege zeigt sich in Hochform: Albert Pesendorfer gibt den Hagen als schwarzen Zeremonienmeister mit Balsam-Bass; Seho Chang greift stimmlich in die Vollen und befreit den Gunther vom Klischee des Jammerlappens; Bjørn Waags Alberich geifert und geistert ein letztes Mal durchs Geschehen, und Lars Cleveman spart sich seine besten Töne für Siegfrieds Schwanengesang auf. Das Bruckner Orchester Linz liefert unter ihrem Chefdirigenten Dennis Russell Davies eine mehr als respektable Leistung ab. Des Klangkörpers Stärken liegen im Schlagwerk (im Rheingold wird live gehämmert), die Schwächen hört man im Blech (kleine Beulen bei den Hörnern, einiges tönt aus Boxen). Davies schlägt überwiegend sachte und formt ein fülliges, doch niemals schwülstiges Klangbild: Das ist Wagner in bester musikalischer Kapellmeistertradition!


Heiko Schon - 10. April 2015
ID 8560
DER RING DES NIBELUNGEN (Landestheater Linz, 31.03.-08.04.2015)
Musikalische Leitung: Dennis Russell Davies
Inszenierung: Uwe Eric Laufenberg
Bühne: Gisbert Jäkel
Kostüme: Antje Sternberg
Video: Falko Sternberg
Licht: Andreas Frank
Dramaturgie: Wolfgang Haendeler
Besetzung:
Wotan / Der Wanderer … Gerd Grochowski
Loge / Siegmund … Michael Bedjai
Donner / Gunther … Seho Chang
Froh … Iurie Ciobanu
Fricka / Zweite Norn … Karen Robertson
Freia / Dritte Norn … Brit-Tone Müllertz
Erda / Schwertleite / Erste Norn / Waltraute (GD) … Bernadett Fodor
Alberich … Bjørn Waag
Mime … Matthäus Schmidlechner
Fasolt / Hunding … Dominik Nekel
Fafner … Nikolai Galkin
Woglinde / Helmwige … Claudia Braun-Tietje
Wellgunde / Ortlinde … Gotho Griesmeier
Flosshilde / Waltraute (W) … Valentina Kutzarova
Sieglinde / Gutrune … Sonja Gornik
Brünnhilde … Elena Nebera
Gerhilde … Christa Ratzenböck
Siegrune … Kathryn Handsaker
Grimgerde … Vaida Raginskyte
Rossweisse … Inna Savchenko
Siegfried … Lars Cleveman
Waldvogel … Elisabeth Breuer
Hagen … Albert Pesendorfer
Bruckner Orchester Linz
Chor, Extrachor und Statisterie des Landestheater Linz
Chorleitung: Georg Leopold
Leitung Extrachor: Martin Zeller
Premieren waren am 26.10.2013 (Das Rheingold) / 22.03.2014 (Die Walküre) / 01.11.2014 (Siegfried) / 07.02.2015 (Götterdämmerung)
Nächster Zyklus: 08.05.-17.05.2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.landestheater-linz.at


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