Es kann
nur einen geben
ECHNATON von Philip Glass
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Echnaton von Philip Glass an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu
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Bewertung:
Wellen tiefer und dunkler Sounds in oft leicht variierenden, sich überlagernden Wiederholungen fließen sphärisch-sanft dahin. Eine finstere Grundstimmung mit viel Moll und dunklen Streichern - wie Bratschen, Celli und Kontrabässe - steigert sich langsam und mit Trommelwirbel. Gewaltbereitschaft artikuliert sich im dichter und lauter werdenden Klang, der jedoch bald wieder in ruhigere Gefilde abdriftet. Stephan Zilias beweist als musikalischer Leiter von Philip Glass‘ Oper Echnaton in Bonn mit einem konzentriert aufspielenden Beethoven Orchester viel Gespür für Zwischentöne und unterschwellige Stimmungen. Die 1984 in Stuttgart uraufgeführte Komposition thematisiert das Leben und Wirken Echnatons, eines altägyptischen Pharaos. Die Inszenierung der gebürtigen Mailänderin Laura Scozzi bereichert Glass‘ dem musikalischen Minimalismus zuordbare Musik durch interessante und moderne Regieeinfälle.
Zunächst sehen wir auf der Bühne das chaotische Treiben einer undisziplinierten Schulklasse der Jetztzeit. Die Schüler nehmen die steifen Ausführungen des Lehrers über das Ägypten des 14. Jahrhunderts vor Christus kaum zur Kenntnis. Höchst gelangweilt beschäftigen sie sich lieber mit ihren Smartphones oder Mitschülern. Bald beginnen sie dynamisch synchron auf Tischen und Stühlen zu tanzen, während der Lehrkörper über Echnatons Auferlegung einer radikal neuen Staatsreligion referiert. Erst als Bilder von Statuen Echnatons auf die zentrale Bühnenwand projiziert werden, schenkt eine Schülerin diesen Bildern ihre volle Aufmerksamkeit. Die Perspektive dieser Schülerin, Marie, verfolgt die Inszenierung nun weiter. Nur sie nimmt in der Schulklasse Widergeburten Echnatons wahr, denen sie hinterherläuft und die ihr schließlich mögliche neue Handlungsfelder eröffnen.
Hier verschränken sich auf der Ebene der dargestellten Handlung unterschiedliche Zeitalter. Auch räumlich werden alsbald unterschiedliche Szenerien nebeneinandergestellt. Auf eindrucksvolle Weise wird die Bühne hoch oder runter gefahren oder geteilt. Dabei gibt sie mal den Blick auf gesellschaftliche Riten Altägyptens zur Zeit Echnatons und mal auf temporeiche Choreographien der feiernden Mitschüler frei. Die während der gesamten Vorführung stumm und sehr lebendig agierende Marie sondert sich zunehmend von ihren Mitschülern ab, nachdem ihr durch das Auftauchen Echnatons sozusagen ein Erweckungserlebnis zuteil wurde. Sie ist fasziniert von Echnatons Idee einer einzelnen, universalen Gottheit und einer einzigen Religion. Marie kleidet sich alsbald in den Farben des berühmten Pharaos. Die Aufmerksamkeit Echnatons, der sie in seinen Kreis aufnimmt, schmeichelt ihr. Echnaton behauptet unnachgiebig, dass sich nur ihm der einzige Gott namens Aton offenbare. Sein Aton-Kult, der die Sonne als die Welt durchdringenden und lebensspendenden Himmelskörper feiert, findet während der Inszenierung durch bemerkenswerte Licht- und Videoeffekte Ausdruck.
Der 33jährige Benno Schachtner spielt Echnaton mit entrücktem und glasklarem Countertenorgesang. Mit seinem engelsgleichen Auftreten und seiner sphärischen Stimme scheint er konsequent über den irdischen Konflikten zu schweben, die ihn jedoch schlussendlich einzuholen drohen. Insbesondere der Chor und Extrachor des Theater Bonn, der die Gesellschaft in der Zeit von Echnatons Revolution sowie die zwei Priesterfraktionen, die sich gegenüberstehen, gestaltet, sorgen hier unter der Leitung von Marco Medved für gesanglich klangfarbenreiche Spannungsmomente. Auch die gelungenen Choreographien der dreizehn Tänzerinnen und Tänzer [Namen s.u.], die während der Inszenierung durchgehend die Schüler verkörpern und als solche sogar die Ruinen Tell El-Amarnas besuchen, sorgen für ausdrucksstarke Dynamik.
Echnaton führt eine spirituelle Kriegsführung monotheistischer Religionen mit Witz, Detailreichtum und musikalischem Drive stimmungsvoll vor Augen und zeigt dabei, dass auch die christliche Bild- und Symbolwelt mit militärischen Bildern durchsetzt ist. Nichtsdestotrotz verliert insbesondere das sich versöhnlich zerdehnende Ende etwas zu sehr den bisherigen Fokus auf den Entwicklungsweg Mariens aus den Augen und gerät arg schablonenhaft.
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Echnaton von Philip Glass an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu
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Ansgar Skoda - 30. März 2018 ID 10609
ECHNATON (Oper Bonn, 23.03.2018)
Musikalische Leitung: Stephan Zilias
Regie: Laura Scozzi
Bühne: Natascha Le Guen de Kerneizon
Kostüme: Fanny Brouste
Licht: Friedel Grass
Video: Stephan Broc
Choreinstudierung: Marco Medved
Dramaturgie: Johanna Mangold
Besetzung:
Echnaton … Benno Schachtner
Nofretete … Susanne Blattert
Teje … Marie Heeschen
Haremhab … Giorgos Kanaris
Der Hohepriester Amuns … Johannes Mertes
Ajeh … Martin Tzonev
Zwei Töchter … Rose Weissgerber und Sheva Tehoval
Amenhotep … Thomas Dehler
Tänzerinnen und Tänzer: Phaedra Pisimisi, Francesca Perrucci, Shan-Li Peng, Juliane Bauer, Katharina Therese Glas, Javier Ojeda Hernandez, Katharina Platz, Michal Czyz, Diego de la Rosa, Yunjin Song, Tobias Weikamp, Muwala-Paulo Lando und Simon Wolant
Chor und Extrachor des Theater Bonn
Beethoven Orchester Bonn
Premiere war am 11. März 2018.
Weitere Weitere Termine: 12., 21., 29.04./ 9., 13., 31.05./ 14., 20., 28.06.2018
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de
Post an Ansgar Skoda
skoda-webservice.de
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Opernpremieren
Opern von Philip Glass auf KULTURA-EXTRA:
Satyagraha (an der Komischen Oper Berlin | 27.10.2017)
Akhnaten (am Teatro Piccolo Strehler, Mailand | 15.09.2015)
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