Von
Naturgeistern
und geheimen
Zeichen
|
Rokia Traoré mit „Dream Mandé“ bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen | Foto © Danny Willems
|
Bewertung:
„Afrika gehört den Frauen – oder sollte jedenfalls künftig den Frauen gehören.“ So erklärte der senegalesische Filmemacher Ousmane Sembène, der in seinen sozialkritischen Filmen immer wieder Schicksale afrikanischer Frauen porträtierte, einmal seine Utopie. Leider leben Frauen in Afrika allzu oft immer noch nicht gleichberechtigt. Immerhin jedoch treten mehr und mehr namhafte Sängerinnen Afrikas in Erscheinung, die von sich reden machen. Als eine neue Stimme Afrikas wird derzeit die 41jährige, malische Sängerin und Komponistin Rokia Traoré gefeiert, die sich in ihren eigenen Werken oft mit ihrer Heimat beschäftigt und auf zahlreichen Alben selbstkomponierte Songs meist in ihrer Muttersprache Bambara veröffentlichte.
Am vergangenen Donnerstag verblüffte sie in Ludwigsburg im Rahmen der Schlossfestspiele mit ihrer unvergleichlichen Facettenvielfalt an Stimmforcierung, mal vortragend, mal singend, als sie traditionelle, westafrikanische Lieder einer alten Legende gegenüberstellte. Ihr lebendiger Vortrag einer uralten Erzählung erinnerte an das Königreich der Mandé, welches von 1245 an bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts im heutigen Mali und den angrenzenden Staaten bestand. Im Theatersaal des Forums am Schlosspark entfaltet sich der Mythos einer westafrikanischen Historie – mit denen vor Jahrhunderten bereits sogenannte Griots, also umherziehende Sänger, Spielmänner und Chronisten ihr Publikum fesselten. Die international bekannte Sängerin erzählt mit tiefer, präsenter und konzentrierter Stimme auf Englisch bilderreich von mutigen Königen, Naturgeistern, geheimen Zeichen, Reisebegegnungen mit Frauen und Tieren wie Seeschnecken oder Büffeln. Poetische Gleichnisse laden immer wieder zum Nachdenken ein, wie etwa:
„Ich sehe eine Frau nach Niani kommen. Sie wird von zwei Männern begleitet und trägt eine Last auf dem Kopf. Oder ist die Last in ihrem Kopf? Oder in ihrem Leib? Oder vielleicht auf ihrem Rücken? Vielleicht alles zusammen, alles zur selben Zeit!“
Den jeweiligen Belastungen werden im weiteren Vortrag unterschiedliche Bedeutungen und Schicksale beigemessen. Eine deutschsprachige Übersetzung wird durchgehend auf der Bühne in Übertiteln eingeblendet, die Johannes Schott eigens für die Ludwigsburger Schlossfestspiele besorgte. Rokia Traoré unterbricht ihren Vortrag regelmäßig, um ihn durch Lieder wie „Djata“, „Douka“, „Koulandjan“ oder „Tiramakan“ effektvoll zu untermalen. Mit rauchigem Timbre erklingt dann plötzlich ihr reizvoller, dynamischer Gesang über allem schwebend nicht greifbar und vermittelt zugleich eine enorme, innere Stärke. Über den gesamten Zeitraum der Vorführung wird Traoré dezent vom Koraspieler Toumani Kouyaté und vom Ngoni-Virtuosen Mamah Diabaté begleitet. Die traditionellen westafrikanischen Instrumente einer Spießhals-Laute Ngoni und einer Stegharfe Kora unterstreichen rhythmisch den Eindruck eines würdevoll-feierlichen Voranschreitens der Geschichte. Stimme und Musik unterstreichen nuanciert die Weisheiten der Geschichte, die von der Erfüllung einer Weissagung und menschlichen Begegnungen handelt. Es soll eine zukünftige, glückliche Herrschaft geben in der es Gastfreundschaft und Respekt für Schwache und Hilflose und Belohnungen für das richtige Tun gibt. Eine schöne Utopie, die Traoré durch ihren Gesang noch einmal vielfach veredelt.
|
Rokia Traoré mit „Dream Mandé“ bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen | Foto © Danny Willems
|
Ansgar Skoda - 27. Juli 2015 ID 8779
Weitere Infos siehe auch: http://www.schlossfestspiele.de/
Post an Ansgar Skoda
http://www.ansgar-skoda.de
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
MUSIKFEST BERLIN
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|