Mit Ruhe
und Würde
|
Das ist Zubin Mehta, der am 13. März 2017 mit der Staatskapelle Berlin Haydns Oratoroium Die Schöpfung aufführte. | Foto (C) Holger Kettner; Bildquelle: staatsoper-berlin.de
|
Bewertung:
Die Schöpfung wird oft als Krönung Haydns kompositorischen Schaffens bezeichnet. Die Ursprünge des Werkes lassen sich nicht ganz nachverfolgen. Vermutlich stieß Joseph Haydn bei einer Londonreise im Jahre 1795 auf einen englischen und evtl. noch für Händel bestimmten Text. Er bat Baron van Swieten um eine Übersetzung, welche die Grundlage des Librettos bildet. Im Frühjahr 1798 wurde Die Schöpfung dann schon mit sehr großem Erfolg uraufgeführt. Schnell wurde das Werk eine Säule des bürgerlichen Konzertlebens. Bis heute gilt sie als Begründer eines neuen Oratorientypus - ein ungewöhnliches Werk; anders als in der Oratorientradition üblich finden sich in ihr weder eine dramatische Handlung noch ein tragischer Konflikt. Das Mitempfinden bleibt dem Zuhörer für lange Zeit verwehrt, Adam und Eva treten als menschliche Identifikationsfiguren erst zum Schluss des Werkes auf:
"Teurer Gatte, dir zur Seite,
Schwimmt in Freuden mir das Herz.
Dir gewidmet ist mein Leben.
Deine Liebe ist mein Lohn."
Herrlich wie Julia Kleiter als Eva hier René Pape als Adam umschmeichelt. Die beiden Künstlerpersönlichkeiten kommen aus dem Musiktheater. Mit subtiler Mimik hauchen sie Adam und Eva am Ende des Oratorium Leben ein, so gut, dass der ganze Saal schmunzeln muss.
Haydns Oratorium wirkt in den ersten beiden Teilen durch klangmalerisch gezeichnete Naturschilderungen, welche teilweise volkstümliche Züge aufkommen lassen. Wenn René Pape mit tiefem Bass über das am Boden kriechende Gewürm berichtet, stellen sich einem die Nackenhaare auf. Phänomenal, mit welcher Leichtigkeit er seine Töne generiert. Zubin Mehta setzt auf Ruhe und Würde; wie aus dem Nichts schimmern die ersten Töne auf. Klangliche Dynamik arbeitet der Dirigent exzellent heraus. Er behandelt die Themenblöcke sinnlich und zeitlich ausgewogen, so dass sich die Dramaturgie nicht auf die Entwicklung, sondern in der klanglichen Ausgewogenheit entsteht. Am Ende des zweiten Teiles brilliert die Staatskapelle Berlin mit einer uhrwerkartigen Genauigkeit, glockenrein durchhörbar die Stimmgruppen des Streichapparates. Mehtas Klang ist auch in den Tuttis nie laut, die Tuttis haben eine physische Kraft, das Tempo wechselt nicht einfach, metrisch exakt verschiebt und verändert sich der Rhythmus. Mehta, über 80 Jahre alt, führt selbstbewusst, aber er lässt den exzellenten Musikern stets noch Luft für eigene Kreativität, was besonders die Blechbläser sehr gewinnbringend zu nutzen wissen. Ein toller Abend, der morgen im Konzerthaus noch einmal wiederholt wird.
|
Steffen Kühn - 14. März 2017 ID 9908
STAATSKAPELLE BERLIN (Philharmonie Berlin, 13.03.2017)
Joseph Haydn: Die Schöpfung
Julia Kleiter, Sopran
Christian Elsner, Tenor
René Pape, Bass
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin
Dirigent: Zubin Mehta
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatskapelle-berlin.de
Post an Steffen Kühn
http://www.hofklang.de
Die Schöpfung am 02.02.2007 Rundfunkchor Berlin, Berliner Philharmoniker | Simon Rattle
Die Schöpfung am 01.01.2009 RIAS Kammerchor | Hans-Christoph Rademann, Freiburger Barockorchester
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|