Musikalische
Frömmigkeit
im Rom der
Gegen-
reformation
mit Concerto Romano
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Bewertung:
Vom 17. bis 19. März 2017 fanden in der Fontanestadt Neuruppin die 8. MUSIKTAGE ZUR TAG- & NACHTGLEICHE statt.
Ein Höhepunkt dieses Festivals, das an unterschiedlichen Orten in und um Neuruppin passierte, war ohne Zweifel der Auftritt des römischen Ensembles Concerto Romano am gestrigen Samstag in der Temnitzkirche in Netzeband.
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[Eine unglücklich ausgeschilderte Umleitung verhinderte das pünktliche Ankommen (von Zuhörer und Solisten), und der vorgesehene Beginn um 15 Uhr konnte nicht ganz eingehalten werden. Die Wartezeit wurde aber angenehm bei Kaffee und Kuchen in der kleinen Kirche aus dem 19. Jahrhundert überwunden.]
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Vor vollem Haus präsentierte das römische Ensemble im Jahr der Reformation ein Programm mit Musik der Gegenreformationsbewegung scuola romana, die im 17. Jahrhundert der Reformation in Rom erwidern sollte. Gestern Nachmittag hatte also Concerto Romano der Berliner Lautten Compagney geantwortet, die am Tag vorher den 500. Jahrestag der Reformation behandelte.
Alessandro Quarta hatte mit diesen Sacrae Cantiones ein Programm von paganen und religiösen Musikpreziosen zusammengestellt, das interessanter, abwechslungsreicher und typischer für diese Zeit gar nicht sein konnte.
Im römischen Viertel La Vallicella, das heute zum begehrten und teuren centro storico gehört und von wo aus man nur den Tiber überqueren muss, um zum Petersdom zu gelangen, lebte in der Reformation und Gegenreformation die ärmere und einfachere Bevölkerung. Die Aufführungen durch die Philippinischen Brüder für die kleinen Leute der dort entstandenen Liturgien erlangten großen Zuspruch und wurden immer bekannter. Alte populäre Lieder, Madrigale, Sinfonien oder Lauden aus der Renaissance- und Frührenaissance wurden hervorgeholt und die Straße zum Konzert- und Beetsaal.
Quarta verglich die gestern präsentierte Musik, die z.T. dort entstand, mit Caravaggios manieristischer Malerei, der sich seine Modelle oft aus eben diesem Armenviertel geholt hatte, wo katholische Pracht und päpstlicher Glanz vollkommen abwesend waren.
Von den Musikern Francesco Foggia (1604-1688), Bonifacio Graziani (1604-1664) Francisco Soto de Langa (1534-1619) Giacomo Carissimi (1605-1674) stammten u.a. die ebenso gestern in Abwechslung mit instrumentalen Kompositionen von teils anonymen Musikern aus der Renaissance und dem Frühbarock vorgetragenen Werke. Mit den drei Vokalsolisten Antonio Orsini (Alt), Luca Cervoni (Tenor) und Giacomo Nanni (Bass) sowie sechs Instrumentalisten hatte er einem sehr interessierten Publikum diese fabelhaften Werke vorgestellt:
Das Lied Amici pastori von Bonifacio Graziano ist ein Weihnachts-Madrigal und gleicht fast einem Mini-Oratorium, es ist ein Dialog zwischen unterschiedlichen Parteien, bei dem u.a. die Hirten aufgerufen werden, mit ihrem Gesang doch den Neugeborenen nicht zu stören. Zwischendurch wird ein italienisches Schlummerlied gesungen, und dann dreht sich Maestro Quarta zu uns und singt selber die Hirtenweise - und auch das ist es, was dieses Ensemble so einzigartig und sympathisch macht. Alessandro Quarta ist nicht nur ein hervorragender Musikwissenschaftler, ein sensibler und einfühlsamer Dirigent und ausgezeichneter Sänger; Quarta ist die Musik.
Eine Entdeckung ist der 19-jährige Violinist Gabriele Pro; er hat sicher eine große Karriere vor sich. Valeria Brunelli am Violoncello und Patxi Montero am Kontrabass interpretierten zusammen mit Francesco Tomasi (Gitarre und Theorbe) ein Canario und eine Capona von Johann Hieronymus Kapsberger (1580-1651). Während die Instrumentalwerke noch eher der Renaissance zugeordnet werden dürfen, erinnerte die Toccata für Orgel von Michelangelo Rossi (1602-1656) schon an diese, mit denen später Bach jeden Organisten begeistern sollte. Gestern spielte sie Andrea Buccarella.
Immer wieder mussten die Musiker bei den schwankenden Temperaturen in der Kirche ihre alten Instrumente stimmen; und während draußen ein Sturm tobte und das brandenburgische Licht die Kirche erhellte, war auch das ein Vergnügen. Die knapp zwei Stunden ohne Pause sind im Nu verflogen und Quarta, der sein Ensemble mit inniger Harmonie und in permanenter Verbindung zu den Solisten oder Musikern leitete, bedankte sich mit zwei Zugaben bei dem aufmerksamen, regungslosen, mitgerissenen und fast nicht atmenden Publikum für diese "golden silence" (seine Worte).
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Schlussapplaus für Concerto Romano nach seinem Konzert in der Kirche Netzeband am 18. März 2017 | Foto (C) Christa Blenk
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Christa Blenk - 19. März 2017 ID 9921
Weitere Infos siehe auch: http://www.concertoromano.com
Post an Christa Blenk
eborja.unblog.fr
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