Schönberg, Ferneyhough
Arditti Quartet
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Bewertung:
"Goethe verglich das Streichquartett bekanntlich mit einer 'Unterhaltung von vier vernünftigen Leuten'. Doch was bei der Begegnung zwischen vier Menschen an Beziehungen entsteht, kann vielfältiger und spannender sein als das vernünftigste Gespräch. Das meint jedenfalls der britische Komponist Brian Ferneyhough, der in seinem sechsten Streichquartett auch Beziehungen der Musik 'zu menschlicher Gestik, Sensibilität für somatische Spannungen, Herzschlag oder Atem' nachgeht. Hoch komplex wie diese Prozesse ist Ferneyhoughs Partitur." (Quelle: berlinerfestspiele.de)
Brian Ferneyhough (geb. 1943) arbeitet seit vielen Jahrzehnten mit dem Arditti Quartet zusammen. Für die vier Ausnahmemusiker werden seit vierzig Jahren die anspruchsvollsten Streichquartette geschrieben, manche Stücke, wie auch die von Ferneyhough, können nur sie spielen, aufgrund einer extremen Komplexität. Seit Jahren inspiriert das Arditti Quartet so die Komponisten zu den innovativsten Klangarchitekturen. Das ist gerade so als hätte Rheinhold Messner die vierzehn Achtausender in Auftrag gegeben, um sie hernach zu bezwingen. Ferneyhoughs Streichquartett Nr. 6 wurde 2010 auch für das Arditti Quartet komponiert. Doch der Vormittag startet mit Arnold Schönbergs Streichquartett Nr. 3.
Schönbergs Werk aus dem Jahr 1927 schafft den Spagat zwischen klassisch-romantischer Tradition und dem Anspruch, neue Ideen in Musik zu setzten. Die langen, dynamisch-synchronen Aktionen des Quartetts werden immer wieder durch leichte Verschiebungen gestört, was die Aufmerksamkeit fesselt und die Sinne anregt. Die Ardittis verstärken mit einer unakademsichen Spielfreude den tänzerischen Charakter des Stückes.
Brian Ferneyhoughs Streichquartett ist modern wie das von Schönberg, nur mit den Mitteln unserer Zeit. Längere erzählerische Entwicklungen gibt es nicht, nervöse Klanglandschaften überwältigen den Zuhörer. Man kann sich nur noch auf den musikalischen Augenblick konzentrieren. Zwischen den zuckenden Energiefeldern schimmert manchmal zaghaft eine narrative Linie auf, wird aber sofort wieder von den Klangkaskaden verdrängt. Die Ardittis kämpfen sich durch das zerhackte und verzerrte Klangbild. Avancierte Spieltechniken wie das Spiel mit der Bogenstange, verschiedene z.T. sehr hohe Flageoletttypen und splitterartige Glissandi meistern sie mühelos. Die Dichte des musikalischen Geschehens ist für den Zuhörer nicht mehr zu überschauen - orientieren kann man sich nur noch an den verschiedenen Energiefeldern.
Großer Applaus und eine Zugabe beenden diesen wunderbaren Vormittag im leider nur spärlich besetzten Kammermusiksaal der Philharmonie. Eintausendzweihundert Sitzplätze an einem Sonntagvormittag nur annähernd zu füllen, schaffen selbst die Ardittis mit diesem anspruchsvollem Programm nicht.
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Arditti Quartet | © Astrid Karger
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Steffen Kühn - 20. September 2015 ID 8883
MUSIKFEST BERLIN (Kammermusiksaal, 20.09.2015)
Arnold Schönberg: Streichquartett Nr. 3 op. 30
Brian Ferneyhough: Streichquartett Nr. 6 (2010)
ARDITTI QUARTET:
Irvine Arditti, Violine
Ashot Sarkissjan, Violine
Ralf Ehlers, Viola
Lucas Fels, Violoncello
Weitere Infos siehe auch: http://www.berlinerfestspiele.de/musikfest
Post an Steffen Kühn
http://www.hofklang.de
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