Von der Lebens-
und der
künstlerischen
Freundschaft
zwischen
Johannes Brahms
und
Joseph Joachim
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Bewertung:
Eine der schillerndsten Lebens- und künstlerischen Freundschaftsgeschichten verband Johannes Brahms (1833-1897) und Joseph Joachim (1831-1907). Der eine "überlebte" erstrangig als Komponist, der andere vorzugsweise als Geiger (obgleich er auch komponierte). Beide waren sie, jeder auf seinem Gebiet, Stars ihrer Zeit.
Jetzt gibt es ein sehr leidenschaftlich und sehr klug gemachtes Album - Titel: Friendship - , das sich insbesondere um dieses schöne Thema rankt und es gleichsam mit fünf Musikstücken (darunter eines von Joachim!) adelt. Eingespielt haben es die Bratschistin Lena Eckels, die Pianistin Simone Wolff und die Mezzosopranistin Sophie Harmsen; aufgenommen wurde im Sendesaal Bremen, Mai 2020.
Den redaktionellen Teil (des hochinformativen Booklets) übernahm Wolfgang Sandberger, seines Zeichens Leiter des Brahms-Institus an der Musikhochschule Lübeck und profunder Kenner eines Konvoluts von 900 Briefen zwischen Brahms und Joachim, die dort lagern; und da lesen wir:
"Schon die erste, noch einseitige Begegnung ist eine 'Sternstunde der Musikgeschichte'. Im März 1848 konzertiert das gerade 17-jährige Wunderkind Joachim in Hamburg. Auf dem Programm steht Beethovens Violinkonzert, das zu den Paradestücken des fulminanten Geigers ungarisch-jüdischer Herkunft gehört. Für den zwei Jahre jüngeren Brahms ist es ein einprägsames Erlebnis, an das er sich noch Jahre später erinnert: 'Ich war gewiß Dein begeistertster Hörer. Es war eine Zeit, in der ich noch recht chaotisch schwärmte und es mir gar nicht darauf ankam, Dich für Beethoven zu halten.'"
Mehr noch war es der Joachim, der den Brahms "entdeckte", heißt, dass er seinem zwei Jahre jüngeren Freund, der anfangs freilich nicht diesen Bekanntheitsgrad wie er, der große Stargeiger und Kammermusiker, genoss, die künstlerischen Wege ebnete, ihn so als Komponisten nach und nach zu etablieren half. Und so verkehrten sie, als Beispiel nur, auch bei den Schumanns, und sie wussten später freilich um die ganze Tragik dieses Künstlerpaars, das zwischen Suizidversuch und Irrenanstalt hin und her getrieben war...
Brahms' & Joachims intensive Freundschaft, die sage und schreibe 40 Jahre währte, hatte neben ihren Höhen auch gelegentliche Tiefs - ein wunder Punkt war Anfang 1880 anlässlich der aufkommenden Ehekrise zwischen Amalie und Joseph:
"Brahms reagiert durchaus nobel und couragiert, wenn er als einer der wenigen im Freundeskreis für die Sängerin Amalie Partei ergreift. Letztlich ist ihm freilich an einem Ausgleich gelegen und wie so oft spricht er auch hier in Tönen - mit den beiden Gesängen für Altstimme, Viola und Klavier op. 91, die als Versöhnungsversuch verstanden werden können." (Quelle: W. Sandberger)
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Johannes Brahms (sitzend) mit Joseph Joachim (10160) Fotographie im Visitformat, Klagenfurt 1867; Bildquelle: brahmsinstitut.de
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Brahms' Zwei Gesänge Op. 91 bilden so den Auftakt der mit 50 Minuten und 22 Sekunden Spieldauer ausgewiesenen CD. Die Gedichte zu den Liedern sind von Friedrich Rückert (Gestillte Sehnsucht) und Emanuel Geibel (Geistliches Wiegenlied); das erste wirkt mehr schwermütig, wird aber durch zurechtstauchendes Aufbrausen konterkariert; das zweite hat dieses erwartbar kindliche Eiapopeia, und obgleich sein Text "Bedeutungsvolleres" behauptet, als es die ihn tragende Musik empfiehlt. Der federbettenwarme Sound, die überlegte Ruhe und die vorbildliche Textverständlichkeit lassen der Harmsen für diese zwei Liedbeispiele beste Noten attestieren.
Die eigentliche Rarität der vorliegenden Aufnahme sind die Hebräischen Melodien von Joseph Joachim! Als 24jähriger, und noch bevor er zum lutherischen Glauben konvertierte, hatte er sie komponiert - quasi als Dank dafür, dass Brahms ihm wiederum sein Opus 1 (Sonate in C-Dur) gewidmet hatte:
"Der Geiger reflektiert in diesen drei Stücken Eindrücke der Byron'schen Gesänge, wie es auf dem Autograf heißt. Brahms ist begeistert: 'Die hebräischen Melodien sind aber ganz Joachim, wunderbar ergreifend." (Quelle: dto.)
Hier wird das Instrument von Lena Eckels, deren Bratsche eine nachgebaute Gasparo da Salo aus der Lübecker Werkstatt von Haat-Hedlef Uilderks ist, zur allumfühlenden, gleichsam sich selbst verwirklichenden Sängerin. Sein Klang empfindet sich, wahrscheinlich nicht allein für Laien-Hörer, um ein paar Nuancen tiefer (was an der besonderen Viola liegt), und ausgerechnet das verleiht ihm noch mehr Herzenswärme, als man es für dieses dreisätziges Stück womöglich gar ertragen haben wollte; sehr, sehr schön als Rundes, Ganzes.
Den markanten Abschluss der CD bildet das Opus 120 Nr. 1 von Brahms - ursprünglich war diese Sonate in f-Moll für Klarinette und Klavier bestimmt, aber der Komponist wollte sich auch "alternativ" für eine Fassung mit Viola und Klavier entscheiden:
"Da verlangt Brahms beiden Instrumentalisten viel ab. Den Klavierpart hat er übrigens bei der Bearbeitung für Viola nicht geändert. Ich orientiere mich in vielen Oktavierungen an der Klarinettenfassung. Das hat Balance- aber auch Stimmführungsgründe." (Quelle: Lena Eckels in einem Interview mit Gabriele Luster)
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Die Bratschistin Lena Eckels | Foto (C) Christian Ruvolo
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"Die Eleganz und Wärme ihres Spiels wurden bereits bewundert als sie noch Mitglied des vielfach ausgezeichneten Amaryllis Quartetts war. Heute ist Lena Eckels Professorin an der Musikhochschule Lübeck, darüber hinaus gibt sie Konzerte als Solistin und Kammermusikerin.
Lena Eckels gewann den 1. Preis beim Brahms Wettbewerb in Pörtschach und den GWK Förderpreis und war gemeinsam mit ihrer Duopartnerin Simone Wolff Stipendiatin bei der Yehudi-Menuhin-Stiftung 'Live music now'. Künstlerische Anregungen erhielt sie u.a. von Kim Kashkashian, Nobuko Imai und Yuri Bashmet und wurde 2007 für die Verbier Festival Academy ausgewählt."
(Quelle: Virginia Tutila Artists Relations)
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Andre Sokolowski - 14. April 2021 ID 12855
FRIENDSHIP | BRAHMS - JOACHIM
Johannes Brahms: Zwei Gesänge Op. 91
- Gestillte Sehnsucht
- Geistliches Wiegenlied
Joseph Joachim: Hebräische Melodien - nach Eindrücken der Byron’schen Gesänge, Op. 9
Brahms: Sonate f-Moll für Viola und Klavier Op. 120 Nr. 1
Lena Eckels, Viola
Simone Wolff, Klavier
Sophie Harmsen, Mezzosopran
Label: GWK 150 / 2021
VÖ: 07.04.2021
Weitere Infos siehe auch: https://gwk-online.de/friendship/
http://www.andre-sokolowski.de
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