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Konzertkritik

Atemtherapien

Mozarts PRAGER SINFONIE und Braunfels´ TE DEUM in einem Konzert des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin

Vor ein paar Wochen gab es Berlioz' Te deum in der Waldbühne, Claudio Abbado ließ sich da nicht lange bitten; und er stellte "seine" Hundertschaften an die frische Luft, und was total verblüffte: Dass, trotz dieser Improvisation (Philharmonie blieb zu wegen des Brandes), eine Aufführung gelungen war, die mich mit 17.000 andern Menschen in den Bann zog, dass "wir alle" Gänsehaut und Freudentränen hatten...

Nun sind wieder Spielalltage im Scharoun-Bau.

*
Manfred Honeck dirigierte letzten Sonntag Mozarts erdhaftige Prager Sinfonie und Walter Braunfels' krieg-der-sterne-mäßiges Te deum.

Letzteres - dann also auch wieder (wie Wochen vorher mit Berlioz´ Te deum) - , noch viel mehr denn eine Materialschlacht, trägt gewisse Ehrgeize in sich, den Pfingsthymnus aus Mahlers Sinfonie der Tausend zu erreichen. Es wird viel und laut herumgeschrieen; nicht nur Michaela Kaune meistert ihre schier ans unmachbar bevorschrifteten Höhenlagen, auch die Damen aus dem exzellent mit diesem Werk betrauten Rundfunkchor Berlin schraubten sich mittels eisigster Erklingungen in die Gestirne. Dieses maßlose und uneinordbare Gewaltwerk, viersätzig und strenghin klassisch nach den herkömmlichen Urtexten gefasst, birgt selbstverständlich dann auch ruhigere Momente in sich. Gleich im dritten Satz - der divenlaunigst und sehr eigenmächtig ("mit dem Einverständnis der Familie Braunfels") justament von Honeck mit dem zweiten ausgetauscht gewesen war - werden wir eines offensichtlichen Arzneicocktails aus nachempfundnen Lohengrin- und Rheingold-Vorspielen gewahr. Der Schlusssatz prangt noch einmal kräftigst mit den turbulentesten Geschehnissen von was weiß ich welch abgehobner Dimension; er ist zudem durch eine einschneidende Kunstzäsur, bevor die Angelegenheiten endlich schlüssig werden, sozusagen vormarkiert... Wie überhaupt sehr große und gewichtige Satzpausen, und als würden sie zum Stück gehören, zelebriert sind.

Walter Braunfels, ein aufgrund der jüdischen Familienwurzeln durch die Nazis tot geschwiegner Komponist, erfreut sich zunehmend der Reanimation seines zu Unrecht weggefemten Oevres; er hat Opern und Sinfonisches im großen wie im kleinen Maß geschrieben. Christoph Schlingensief initiierte jetzt Jean d'Arc am Hause in der Bismarckstraße, und es war und ist die beste Produktion in dieser Spielzeit und seit Jahren überhaupt... / Auch Manfred Honeck mühte sich um Braunfels nicht das erste Mal; er brachte die Jean d'Arc als konzertante Erstaufführung in Stockholm heraus, und das Te deum liegt mit ihm als Live-Mitschnitt des Rundfunks Schweden vor.

*


Te deum von Walter Braunfels liegt als Live-Mitschnitt eines
von Manfred Honeck dirigierten Konzertes
des Schwedischen Rundfunks vor.
Label (C) Orfeo


Nicht unerwähnt soll bleiben, wie dem Honeck - zu Beginn des lau besuchten Abends mit dem DSO - die sogenannte Prager Sinfonie von Mozart überwältigend gelang:

Da schlägt er, gleich zum Anfang, derart scharfkantig den Takt, dass es dem Hörer nicht nur Himmel, Angst und Bange wird - nein... er wird zusehends, auch mittels einer so noch nie bei einem Dirigenten zu beobachteten Durchgeatmetheit, und quasi therapeutisch, in die scheinbar luftleicht herkommende Klangwelt dieser Arielgestalt entführt.

Als ob man Atemtherapien machen würde.


Andre Sokolowski - red / 9. Juni 2008
ID 3879
DEUTSCHES SYMPHONIE-ORCHESTER BERLIN (Philharmonie Berlin, 08.06.2008)
Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 38 D-Dur KV 504, Prager Sinfonie
Walter Braunfels: Te deum
Michaela Kaune, Sopran
Kurt Streit, Tenor
Rundfunkchor Berlin
(Choreinstudierung: Robin Gritton)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Dirigent: Manfred Honeck

Weitere Infos siehe auch: http://www.dso-berlin.de




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