Kolorateusengipfel mit
Christine Schäfer und
Edita Gruberová
FINITE INFINITY von Aribert Reimann (in Berlin) und BEATRICE DI TENDAvon Vincenzo Bellini (in Dresden)
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Was verknüpft Christine Schäfer mit Edita Gruberová (oder umgekehrt)? Dass beide nicht mehr Zerbinetta singen.
Zerbinetta, diese springkräutige Lebenskünstlerin aus Straussens aberwitziger Ariadne auf Naxos - Jahre zuvor hatte er, mit Elektra, noch ganz andere und schwergewichtigere Tongeschosse zur Bewältigung eines antiken Stoffes aufgefahren -, singt man, wenn man jung ist. Sie ist eine Ausnahmepartie. "Großmächtige Prinzessin" heißt es da, und groß und mächtig ist der artifizielle Anspruch, dem die insgesamte Ausgestaltung dieser Riesen-Soloszene stimmlich als auch intellektuell gehorchen muss. Sie so zu singen, konnten nur die wenigsten: Die Gruberova schaffte hiermit ihren endgültigen Durchbruch, über 20 Jahre ist das her; in Dresden konnte man sie ihrer Zeit, als Zerbinetta, während eines Gastspieles der Wiener Staatsoper bestaunen und bejubeln. Als sie sie aus ihrem Repertoire entfernte, war es dann, paar Järchen hinterher, die Schäfer, die der Rolle ungeahnt verneuernde Momente zugedeihen wusste. Eine Ablöserin war sie freilich kaum. Schwer vorzustellen auch, dass beide Sängerinnen sich je auf der Bühne oder gar real im Leben einmal nur begegnen würden oder gar begegneten - ich weiß es nicht, ich kann mich irren.
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Zufälliger Weise lagen nicht mal 24 Stunden zwischen den zwei jüngsten Auftritten der beiden (Schäfer mit Finite Infinity von Reimann - Gruberova als Beatrice di Tenda von Bellini), und die Orte ihres dargebotenen Geschehens sollten schon bezeichnend sein:
Berlin, wo Schäfer ja zu Hause ist und wo sie in den letzten Jahren so brachial Erinnerungsfanale setzte, ob mit Bach oder mit Schubert, ob als Cherubino oder Sophie, ob Violetta oder Lulu... sie kann scheinbar wirklich alles, und sie schont weder das Publikum, noch schont sie sich dann selbst: Aribert Reimann widmete ihr seine sieben Lieder nach Gedichten von Emily Dickinson für Sopran und Orchester, welche ihm die Schäfer vor zehn Jahren schon in Zürich uraufführte. Jetzt hat sie sie nochmal einstudiert, und unter Michael Gielens Leitung hörten wir eine unglaublich expressive wie verinnerlichende Gesamtdarbietung dieses halbstündigen Werkes; triumphal der Klang und das Zusammenspiel von Gielen, Schäfer und der Staatskapelle Berlin (Bruckners Fünfte nach der Pause: eine Gottesgabe! eine diesseitige Erdverheißung!! ein Geschenk an sich!!!).
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Und also Dresden - Gruberovas Wiederkehr, ein "Heimspiel" im vermeintlichsten der Sinne: Seit sie, halt nach ihrer Zerbinetta-Phase, im Belcanto ihre neuen Rollen fand, veränderte sich ihre Stimme, ihre Artikulation. Was seither sie nur konnte, war und ist einen schier frei von jeder tremolanten Ausschmückung geradlinigen Ton im Pianissimo beginnend aufzuhalten, um ihn dann - hysterisiererisch gepeitscht - als einen lang und immer länger anhaltenden Quasipfiff bis in das eigentlich dann nicht mehr absehbare Heliophile hoch- und weglichtern zu lassen; es scheint "un-menschlich", es klingt zuweilen ordinär, es reizt den inneren Gehörgang, es hat einen merkwürdigen sexualisierenden Hinzueffekt, es macht mich sprachlos, es verursacht tiefgehendes innerliches Irresein! Es lässt zugleich und melancholisch an die Umsetzung dieser der Gruberova so sehr eigenen Artistik zweifeln, es ist traurig und zutiefst erschütternd sich jetzt vorstellen zu müssen, dass es diese Art zu singen eines Tages leider nicht mehr (nie mehr!!) gibt. Und doch wird Gruberová, bleibt zu hoffen, nicht das allerletzte Mal in Dresden vorstellig gewesen sein... obgleich ein nochmaliger, diesmal endigender Rollenwechsel absehbarer scheint denn je.
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Edita Gruberova & Christine Schäfer.
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Unvergleichlichste Naturen.
Zwei Naturereignisse.
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Andre Sokolowski - 5. März 2007 ID 3041
STAATSKAPELLE BERLIN (Philharmonie Berlin, 01.03.2007)
Aribert Reimann: Finite Infinity, Lieder nach Gedichten von Emily Dickinson für Sopran und Orchester (1994/95)
Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 5 B-Dur
Christine Schäfer, Sopran
Staatskapelle Berlin
Dirigent: Michael Gielen
http://www.staatskapelle-berlin.de
BEATRICE DI TENDA (Semperoper Dresden, 03.03.2007)
Paolo Gavanelli (Filippo)
Edita Gruberova (Beatrice)
Kyung-Hae Kang (Agnese)
Raul Hernandez (Orombello)
Wookyung Kim (Anichino)
Chor der Sächsischen Staatsoper Dresden
Choreinstudierung: Christof Bauer
Sächsische Staatskapelle Dresden
Dirigent: Roberto Rizzi Brignoli
http://www.semperoper.de
www.andre-sokolowski.de
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